Lehtolainen, Leena
im Gespräch klären ließen. Ich werde am zweiten Februar zum 70.
Geburtstag meiner Tante nach Kirkkonummi kommen. Wäre es möglich, am selben Tag ein Interview mit Ihnen zu führen?«
Das Leben war tatsächlich keine Nachahmung der Kunst. In Romanen und Filmen waren Magisterstudentinnen zwanzigjährige, betörende Musen und keine Mütter aus Oulu. Der Hinweis auf die biographische Methode bereitete mir Unbehagen: Wollte Auli Hatakka etwa wissenschaftlich beweisen, dass der gewalt-same Tod meines Vaters mich traumatisiert hatte und ich ihn deshalb in jedem meiner Bücher verarbeitete? Der Verstand riet mir, nicht zu antworten, doch meine angeborene Schwäche für Schmeichelei veranlasste mich, einen Stift zur Hand zu nehmen und Auli Hatakka mitzuteilen, dass ich Anfang Februar nichts Besonderes vorhatte. Sie wohnte in Iisalmi. Sollte sie schwierig sein, würde ich mich einfach so widerwärtig benehmen, dass sie die Lust verlor, eine Abhandlung über meine Werke zu verfassen.
Dann fiel mir ein, wie Katja von ihren Forschungsobjekten geschwärmt hatte. Vor rund fünfzehn Jahren war ich mit ihr beim Opernfestival in Savonlinna gewesen, wo sie eines ihrer Idole im Publikum gesehen hatte. Ihre Magisterarbeit hatte die Musik dieses Mannes zum Thema, und an Weihnachten hatte sie zu verstehen gegeben, dass sie ihn kennengelernt hatte und dass es eine angenehme Begegnung gewesen war. Ich lachte über meine Eitelkeit. Auli Hatakka bewunderte mich sicher nicht auf dieselbe Weise, wie Katja ihren Rockstar anschwärmte.
Ulla kam hereingetapst, sprang auf den Tisch und leckte mir das Gesicht. Allmählich hatte ich mich an ihre überraschenden Zärtlichkeitsbezeugungen gewöhnt. Ein junger Hund war ein guter Vorwand, nirgendwo lange bleiben zu können. Meine Lektorin hatte mir geraten, einen zuverlässigen Hundesitter zu suchen, damit ich im Herbst mit meinem neuen Buch auf Lesereise gehen könne. Bisher hatte ich noch nie durchs Land zu tingeln brauchen.
Kurz vor fünf war ich in der Klinik. Kaitsu schlief in einem Bett mit Eisenstangen, umgeben von Schläuchen und Instrumenten. Es sah aus, als hielte man ihn gefangen.
Hätte Eero mich nicht angesprochen, ich hätte ihn nicht erkannt. Er war doppelt so dick wie 1976, als ich ihn zuletzt gesehen hatte. Seine Haare waren grau geworden, und der ganze Mann wackelte und bebte. Seine Backen glänzten, seine Augen blickten verstört.
»Veikko! Die Zeit hat dich gnädig behandelt«, stellte er fest.
»Ich bin ein anderer Mensch als damals, innerlich und äußerlich.
Vor fünfzehn Jahren habe ich zu Gott gefunden, dem Alkohol abgeschworen und die Auftritte in Kneipen aufgegeben.«
»So, so«, murmelte ich, weil ich nicht wusste, was man auf eine solche Erklärung zu erwidern hatte. Eero war also einer von denen geworden. Und dabei war er als junger Mann so witzig und schlagfertig gewesen.
»Wo ist Sirkka? Und Kaitsu? Sirkka war am Telefon …
ehrlich gesagt … etwas konfus. Sie hat von einem sterbenden Sohn geredet, und Angela hat sich fürchterlich erschrocken, weil sie glaubte, es ginge um unseren Örjan!«
Ich hatte dem Dickerchen keineswegs erlaubt, sich negativ über meine Schwester zu äußern. »Warum hast du keinen Kontakt zu deinen Kindern gehalten?«, fragte ich streng.
»Ich habe es ja versucht, aber Sirkka hat es nicht zugelassen.
Sie hat sogar behauptet, nicht zu wissen, ob Kaitsu von mir ist.
Weißt du es?«
»Ich habe nie von einem anderen Mann gehört.«
Eero seufzte. Sirkka erzählte mir bei weitem nicht alles, und Kaitsu hatte immer Rane am ähnlichsten gesehen.
»Wo wirst du übernachten?«, fragte ich, weil mir nichts anderes einfiel.
»Bei einem Glaubensbruder. Wie ist es eigentlich zu dem Unfall gekommen?«
Ich fragte, ob er im Flugzeug keins der Abendblätter gelesen habe, worauf er erklärte, derartigen Schund fasse er nicht an. Als ich erwähnte, dass in Kaitsus Blut Rauschmittel festgestellt worden waren, runzelte Eero die Stirn. Ich erinnerte mich, dass Kaitsu als Baby genau denselben Gesichtsausdruck hatte, wenn er seine Windel vollmachte. Nachdem Eero sich abgesetzt hatte, war ich oft als Babysitter eingesprungen, weil Sirkka Arbeit suchte.
Ich wusste nicht, was Sirkka von Eero erwartete, ich jedenfalls hatte nicht damit gerechnet, dass er sich derart verändert hatte.
Er hätte Sirkka und Kaitsu vermutlich nicht mehr zu bieten als den Segen seines Herrn, und meiner Erfahrung nach kam man damit nicht weit. Um die Rückkehr des
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