Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
Vom Netzwerk:
und mischte sich in alles ein. Vielleicht gab es ihr einen Kick, behinderte Männer zu betatschen.
    »Was du machst, weiß ich nicht, aber ich nehm das Buch mit.
    Ich hab nämlich Durchfall. Wenn ich Hilfe brauche, drück ich auf die Klingel!«
    Sie machte irgendwelche Einwände, aber ich hörte nicht hin.
    In diesem beschissenen Haus konnte man weder sein Zimmer noch die Klotür abschließen, eine Schikane, über die ich mich fürchterlich ärgerte. Auf dem Klo füllte ich zwei Pappbecher mit Wasser, schlug »American Psycho« auf und fing an, die Pillen zu schlucken. Es waren Dutzende. Ich versuchte gar nicht erst herauszufinden, wonach der Tod schmeckte. Als ich die ersten zwanzig heruntergewürgt hatte, nahm ich den Zettel und den Stift. Viel hatte ich nicht zu sagen, ich schrieb nur ein paar Worte.
    »Liebe Mutter, Katja, Yazu und alle anderen, das ist die beste Lösung. Trauern lohnt sich nicht. Kaitsu.«
    Mir war trotzdem zum Heulen. Ich schluckte die restlichen Tabletten, pinkelte und putzte mir die Zähne. Da ich nicht wusste, wie schnell die Dinger wirken würden, war ich ein bisschen nervös. Ich fuhr zurück ins Zimmer und hievte mich aufs Bett. Die Beine musste ich einzeln mit den Händen hochheben und unter die Decke schieben. Die Krankenschwestern schafften das schneller als ich, aber ich wollte nicht, dass mich jemand sah. Ich schob den Brief unter das Oberteil meines Schlafanzugs, dann würden sie ihn bei der Leichenwäsche finden. Nachdem ich die Leselampe ausgeknipst hatte, fiel mir ein, dass ich das Buch auf dem Klo vergessen hatte. Hoffentlich hatte ich es wenigstens zugeschlagen.
    Während ich auf den Schlaf wartete, kamen mir wieder die Tränen. Ich hatte nicht die Kraft, sie abzuwischen, meine Arme waren zu schwer. Dann erreichte das Schweregefühl auch die Augen, es kamen keine Tränen mehr, und ich schlief ein.
    Ich bekam keine Luft. In meinem Mund steckte ein Schlauch.
    Ich spürte den Geschmack von Erbrochenem, gallengelbe Bitterkeit, wie bei einem endlosen Kater. Das war nicht der Tod.
    Das Zimmer war klein und hell, voller Leute, Schläuche und Geräte. Ich schloss die Augen. Scheiße, sie hatten mich gefunden! Eine Frauenstimme rief meinen Namen. Ich wollte nichts hören. Warum konnte man die Ohren nicht schließen? Sie rissen und zerrten an mir wie Folterknechte, mein Magen war abwechselnd eiskalt und brennend heiß.
    »Er ist bei Bewusstsein«, sagte eine Männerstimme. Jemand zog meine Augenlider hoch. Unwillkürlich stöhnte ich vor Schmerz, sosehr ich auch dagegen ankämpfte. Sie hatten mich erwischt.
    Dann versuchten sie, mit mir zu reden. Doch zum Sprechen konnte mich keiner zwingen. Ich wurde in mein Zimmer zurückgebracht. Die Uhr und die Helligkeit vor dem Fenster sagten mir, dass der Morgen angebrochen war.
    »Deine Schwester ist hier«, sagte eine Krankenpflegerin. Dann ließen sie Katja auf mich los.

    Nicht einmal seinem besten Freund kann man vertrauen. Yazu hatte in der Nacht eine SMS an Katja geschickt und ihr die Sache mit den Pillen im »American Psycho« verraten. Die verdammte Katja hatte zuerst bei Yazu und dann im Rehazentrum angerufen. Kurz nach eins hatte man mir den Magen ausgespült. Zwei Stunden später, und ich wäre in Sicherheit gewesen.
    »Ich habe darum gebeten, Mutter vorläufig noch nicht zu informieren«, sagte Katja, nachdem sie mich darüber aufgeklärt hatte, wieso ich erwischt worden war. »Sie hat gestern den fünfzigsten Geburtstag ihrer Kollegin gefeiert. Soll sie sich erst mal ausschlafen, sie hätte sowieso nichts tun können.«
    Katja hatte die ganze Nacht gewacht, sie sah blass und erschöpft aus.
    »Warum muss sie es überhaupt erfahren?«
    »Sie ist deine nächste Angehörige, so steht es in den Unterlagen. Außerdem will sie dir helfen, genau wie ich.«
    »Mir kann keiner helfen! Sobald ich kann, versuche ich es wieder. Aber beim nächsten Mal verlasse ich mich nicht auf einen gefühlsduseligen Idioten.«
    »Würdest du an Selbstmord denken, wenn du bei dem Unfall nüchtern gewesen wärst?«
    »An dem Unfall hatten die Typen schuld, nicht ich! Bildest du dir ein, ich hätte Gewissensbisse? Das kannst du vergessen!«
    »Du solltest mal mit dem Therapeuten sprechen.«
    »Warum? Ich bin doch nicht verrückt. Und was bringt das schon? Guck dir doch mal Sara an, der hat noch keine Therapie geholfen.«
    »Mir aber. Ich habe gerade wieder bei meiner Therapeutin angefangen, weil ich es nicht allein schaffe. Glaubst du, das alles wäre einfach

Weitere Kostenlose Bücher