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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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gab es kein passendes Fach. Ich hatte Lautsprecher haben wollen, aber man musste die Computerspiele hier ohne Ton spielen, um die anderen Patienten nicht zu stören. Wir waren zu dritt auf einem Zimmer, nur durch einen dünnen Plastikvorhang getrennt, der alle Geräusche durchließ. Einer von den beiden anderen furzte ständig, das ganze Zimmer stank.
    Als ich endlich allein zur Toilette durfte, hatte ich jeden Winkel untersucht, aber kein Versteck gefunden. Da war ich auf die Idee gekommen, ein Buch auszuhöhlen. Ich nahm das dickste Hardcover, das ich fand, »American Psycho«. Yazu nahm die Papierschnipsel mit, als er mich besuchte. Wenn ich sie in den Papierkorb geworfen hätte, wäre womöglich jemand misstrauisch geworden.
    »Bring mir keinen Mist, sondern irgendein Zeug, das mich garantiert umbringt«, hatte ich Yazu eingeschärft, als er mich zum ersten Mal in der Reha-Hölle besuchte. Wir hatten draußen gesessen und gepafft. Ich hatte wieder angefangen, regelmäßig zu rauchen. Ist doch scheißegal, ob ein beinloser Kerl Lungen-krebs kriegt oder nicht mehr so viel stemmen kann wie früher.
    Ich würde sowieso nicht abwarten, bis ich Krebs hatte.
    Yazu hatte mich sofort verstanden.
    »It’s better to burn out than to fade away«, hatte er gesagt, und ich hatte daran denken müssen, wie er durchgeknallt war, als Kurt Cobain sich erschossen hatte. Als Teenager war Yazu der totale Nirvana-Fan gewesen. Wenn eine Knarre in Reichweite gewesen wäre, hätte er sich damals garantiert eine Kugel in den Kopf gejagt. Roni und ich hatten ihn festhalten müssen, damit er sich nicht unter ein Auto warf.
    Ich legte jetzt ab und zu Schlaftabletten und Beruhigungspillen beiseite, und Yazu brachte mir zusätzlich bei jedem Besuch etwas mit. Ich wollte sichergehen und genug beisammenhaben, bevor ich das Ganze durchzog. Dass Veikko sich weigerte, mir zu helfen, fand ich echt beschissen.
    »Ich muss das Personal über deine Selbstmordpläne informieren«, drohte er allen Ernstes.
    »Quatsch! Auf Omas Beerdigung hast du selbst gesagt, Ranes Selbstmord wäre vernünftig und verständlich gewesen.«
    »Das soll ich gesagt haben?«
    »Na klar, verdammt nochmal! Versuch nicht, dich rauszure-den.«
    »Vielleicht habe ich es sogar ernst gemeint … in Ranes Fall.
    Aber du bist kein Mörder und sitzt nicht im Gefängnis.«
    »Als ob das hier kein Gefängnis wäre!«
    Die Anklage wegen Fahrens unter dem Einfluss von Rauschmitteln und wegen Verkehrsgefährdung wurde Ende März erhoben. Der aufgeblasene Abgeordnete war als Zeuge geladen, der Lkw-Fahrer ebenfalls. Beide versicherten, ich hätte getan, was ich konnte, um dem entgegenkommenden Pkw auszuwei-chen. Der gegnerische Anwalt versuchte, auf den acht Kilometern herumzureiten, die ich zu viel auf dem Tacho gehabt hatte, wie man anhand der Bremsspuren festgestellt hatte. Der Rollstuhl brachte mir offenbar einen Mitleidsbonus ein, denn ich wurde nur zu sechs Tausendern Geldstrafe und drei Monaten Führerscheinentzug verurteilt. Als ich den letzten Teil hörte, lachte ich laut.
    Zu allem Überfluss schickte Vater mir andauernd weinerliche Briefe: Er bete für mich und ich solle Gottes Gnade annehmen, dann würde ich meine Lage leichter ertragen. Wie hatte ich mir als Kind einen Vater gewünscht! Am liebsten so einen wie Kalmanlehto, der mit den Kindern Fußball und Tischhockey spielte und die Hurriganes mochte. Aber ich wäre auch mit einem zweitklassigen Exemplar zufrieden gewesen, meinetwegen mit einem wie Yazus Vater, der jeden Freitag und Samstag auf der Couch versackte, aber seinem Sohn im Suff einen Hunderter zusteckte, manchmal auch mehr. Das reichte für massenhaft Bier.
    Und jetzt, wo ich keinen Vater mehr brauchte, hatte ich diesen Jammerlappen am Hals. Zuerst wollte ich die Briefe ungeöffnet wegwerfen, aber dann las ich sie doch. Aus perverser Neugier.
    Mutsch versuchte mich auszuhorchen, was drinstand, aber ich ließ sie schmoren. Schließlich hatte sie mir jahrelang verschwiegen, dass der Alte Geld geschickt hatte und in Kontakt bleiben wollte.
    Sie hatte vor, mich über Ostern nach Matinkylä zu holen, aber ich weigerte mich. In der Wohnung sind Türschwellen, und auf dem Klo gibt es keine Griffe zum Festhalten. Außerdem hatte ich keine Lust, da herumzusitzen und endlos in den asphaltierten Hof zu starren oder die Autos zu betrachten, die unten hin- und herfuhren wie alberne Streichholzschachteln. In Jykis Wohnung hatte ich mich wohlgefühlt, aber dort hatte ich ja nur

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