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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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schlechtgeht. Ich muss dauernd weinen und kann nicht schlafen. Mutter fehlt mir so. Du kannst froh sein, dass du so stark bist.«
    Sirkka seufzt.
    »Katja scheint auch zu trauern. Sie stellt ganz komische Fragen. Hat sie dich auch ausgefragt?«
    »Seit dieser unseligen Autofahrt hat sich Katjalein nicht bei mir gemeldet. Kaitsu übrigens auch nicht, obwohl er sich eigentlich entschuldigen müsste. Sag ihm, ich verzeihe ihm, als reifer Mensch bin ich dazu fähig. Ach, Sirkka, hast du jemals den Verdacht gehabt, dass Vati mich sexuell missbraucht hat?«
    Sie sagt kein Wort.
    »Es ist nur … ich überlege mir, ob das ganze Elend darauf zurückzuführen ist. Nicht nur darauf, dass Rane unseren Vater und sich selbst umgebracht hat, sondern auf viel frühere Ereignisse. Du weißt doch, dass Vati ein Ungeheuer war, und Mutter hat weggeschaut, weil sie es einfach nicht wissen wollte!«
    »Schon gut«, sagt Sirkka mit vorgetäuschter Freundlichkeit.
    »Ich verstehe ja, dass du über Mutters Tod erschüttert bist, das sind wir alle. Auch ich denke viel über unsere Kindheit und über Vaters Tod nach. Aber, liebe Sara, so etwas ist mir nie in den Sinn gekommen …«
    »Du verdrängst es also!«, unterbreche ich sie. »Das ist ganz typisch, die nächsten Angehörigen wollen es nicht wahrhaben.
    Außerdem bist du schon 69 ausgezogen, das sind acht lange Jahre, von denen du nichts weißt!«
    »In den Jahren hatte ich mit meinem eigenen Leben genug zu tun«, räumt sie ein. »Natürlich will ich nicht abstreiten, dass es möglich gewesen wäre, so etwas ist ja vielen passiert, aber warum hast du denn bisher nie davon gesprochen? Wolltest du Mutter schonen?«

    »Mein Gott, ich konnte mich nicht daran erinnern!«, rufe ich, knalle den Hörer auf und breche in Tränen aus.
    Ich weinte und weinte. Weinen tut gut. Danach hatte ich ein verheultes Gesicht, die Schminke war zerlaufen, und ich hatte es eilig, zur Healing-Gruppe zu gehen. Ich wischte mir die Wimperntusche aus dem Gesicht, legte neue Grundierung auf, zog den Kajalstrich nach und setzte eine Sonnenbrille auf. Es war bewölkt und nicht mehr ganz hell, die Passanten starrten auf meine Sonnenbrille. Ich werde oft angestarrt. Vielleicht erinnern sich manche Leute noch an die Käsereklame vor ein paar Jahren oder an meinen Auftritt in »Herzblatt«. Oder sie starren einfach so. Sollen sie nur!
    In der Gruppe war es wieder herrlich. Dort nahm man mich ernst, niemand lachte über meine Gefühle. Anitra, die Leiterin der Gruppe, hätte das auch gar nicht zugelassen. Sie war zwar keine ausgebildete Therapeutin, fand aber immer die richtigen Worte.
    »Du musst ganz tief in deine Kindheitserlebnisse eindringen, und das braucht Zeit«, sagte sie zu mir. »Vielleicht ist das ja der Schlüssel, mit dem du endlich deine inneren Kanäle öffnen und dich von Grund auf reinigen kannst.«
    Healing ist genau das Richtige für mich. Drei Jahre lang bin ich dreimal wöchentlich zur Psychotherapie gegangen, doch gesünder bin ich dadurch nicht geworden. Der Therapeut war ein Freudianer von der falschen Art, wahrscheinlich glaubte er, die Wurzel meiner Probleme wären Sex und Penisneid, die Überzeugung, dass meine Brüder etwas hatten, was mir fehlte.
    Dann entdeckte ich die Anthroposophen, aber dort ging ich nicht mehr hin, als sie mir den Selbstmord meines Bruders vorwarfen.
    Sie halten Selbstmord für Sünde und glauben, Selbstmörder werden zu ewiger Qual wiedergeboren. Als ich Veikko davon erzählte, lachte er und meinte, wer zu solcher Qual geboren wird, würde sich bestimmt gleich wieder das Leben nehmen. Er ist kein bisschen spirituell veranlagt.

    Ich mag Veikkos Bücher nicht. Sie sind hässlich und vulgär und handeln davon, wie Menschen umgebracht werden. Ihnen fehlt jede Sensibilität, die Sätze sind kurz und abgehackt, grau wie eine verwitterte Scheune am Feldrand. Ich finde, in der Kunst muss es Farbe geben, Freude und Schmerz, alle Extreme auf einmal. In Veikkos Büchern ist es immer neblig grau, meine Gedichte dagegen leuchten schwarz, rot und golden. Ich wage es, mit der ganzen Farbpalette zu malen. Jetzt ist meine Seele schwarz und dunkelrot, aber durch das Rot schimmert Licht.
    Wie der sanfte Schein, der durch die Bauchdecke in die Gebärmutter dringt. Mutter, ach liebe Mutter!
    Spontan rufe ich Veikko an, um ihm zu erzählen, wie elend ich mich fühle.
    »Na, was macht mein einziger großer Bruder?«
    »Ich brate Pilze.«
    »Wie herrlich! Du, mir geht es so schlecht! Mutters

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