Lehtolainen, Leena
einzige Fach, das mich interessierte, aber schon im ersten Jahr an der TH haben meine Freunde mich für Rockit angeworben.
Das Schlimmste an dem Konkurs war, dass ich meine Wohnung in der Caloniuksenkatu verkaufen und wieder zu Mutter nach Matinkylä ziehen musste. Für die Wohnung stand ich bei der Bank mit sechshunderttausend in der Kreide, dazu kamen nochmal hundert Riesen für das Auto. Als ich meinen Job noch hatte, glaubte ich, in einigen Jahren alles abzahlen zu können.
Jetzt habe ich weder Wohnung noch Auto. Aber egal. Programmierer werden bestimmt bald wieder gebraucht.
Das Verkehrskreuz an der Hankoer Landstraße war dunkel und leer. Ich fand es unsinnig zu bremsen, bretterte die Rampe hoch und knallte frontal gegen einen Marderhund. Ein dumpfes Klatschen, dann landete das Viech auf der Motorhaube. Als ich das Blut sah, musste ich würgen. Trotzdem blieb ich aktionsfä-
hig wie ein Soldat im Einsatz: Ich ruckelte das Lenkrad ein paarmal kräftig hin und her, bis der Kadaver runterfiel. Die Tankstelle in Pikkala hatte die ganze Nacht geöffnet, dort konnte ich das Blut abwaschen.
Der Tod des Marderhundes wirkte seltsamerweise erleich-ternd, als gäbe er mir die Gewissheit, dass in dieser Nacht nichts mehr passieren würde. Nur der Blutgeruch war ekelhaft. Als ich klein war, bin ich Mutter einmal unbemerkt aufs Klo gefolgt.
Sie zog etwas Blutiges, Ekliges zwischen den Beinen hervor, es hatte einen Schwanz wie eine tote Maus. Ich erschrak und fragte, warum sie blute und ob sie jetzt sterben müsse. Zum Glück ist sie keine von den Müttern, die die Albernheiten ihrer Kinder vor aller Welt ausposaunen, wie Yazus Mutter. Es muss echt toll sein, Freunde zu sich einzuladen, wenn die eigene Mutter Kinderfotos herumzeigt, auf denen man sich mit Kacke beschmiert hat. Kein Wunder, dass Yazu so geworden ist. Als Programmierer ist er unglaublich gut, aber ohne Pillen läuft bei ihm nichts. Die Weiber finden seine Redeweise witzig und ahnen nicht, dass er gar nicht anders reden kann. Yazu findet mühelos Frauen, die ihn verstehen wollen, weil er so seltsam ist.
Sie nehmen ohne weiteres an, dass er eine furchtbare Tragödie erlebt hat. Von wegen! Yazu kommt aus sogenannten guten Verhältnissen: Haus am Meer in Tapiola, drei Autos und ein Flügel, auf dem seine kleine Schwester bis heute spielt. Beim Konkurs von Rockit hat Yazu ein paar Millionen vom Familien-vermögen verbraten. Unsere Mutter hatte mir zum Glück nichts leihen können.
Ich fuhr an der Abzweigung zu Veikkos Haus vorbei und überlegte, ob er schon schläft. Mein Onkel ist ein seltsamer Typ, er verdient sich sein Geld, indem er Bücher schreibt. Offenbar kann man davon tatsächlich leben. Er hat Mutter alle seine Bücher geschenkt. In einigen habe ich geblättert. Na ja. Am besten fand ich die Pornoszenen. Ich habe nie gehört, dass er eine Freundin gehabt hätte, aber über Sex kann er schreiben. In den ersten Zeiten von Rockit hat Ronni mich gebeten, Veikko zu fragen, ob er eventuell ein paar erotische Geschichten für uns verfassen würde. Ich habe gesagt, das wäre zwecklos. Allerdings habe ich in irgendeinem Interview gelesen, dass Veikko sich in meinem Alter das Geld fürs Studium verdient hat, indem er gegen Zeilenhonorar Geschichten für Pornohefte schrieb. Er meinte, das sei damals die gängige Ausbildung für angehende Schriftsteller gewesen. Bei Gelegenheit werde ich ihn mal fragen, ob er die Storys aufgehoben hat.
Ich hielt an der Tankstelle in Pikkala und schrubbte die Motorhaube mit Fensterputzwasser. An der Stoßstange hing ein Stück Fell, bei dessen Anblick sich mir wieder der Magen umdrehte. Ich konnte mich nicht länger zügeln, sondern schraubte die Thermosflasche auf und spülte zwei von den Pillen, die Roni mir gegeben hatte, mit Kaffee herunter. Er hatte mir geschworen, bei einer Blutprobe wäre der Stoff nicht nachzuweisen.
Die Geschwindigkeitsbeschränkungen in diesem Land sind dem Gehirn eines Skodafahrers entsprungen. Maximal hundert auf dem Westring, lächerlich! Das haben sich die Politiker bloß ausgedacht, um mit den Bußgeldern die Staatskasse aufzufüllen.
Mit den heutigen Wagen wären auf der Strecke ohne weiteres hundertdreißig drin. Warum will mir überhaupt jemand vor-schreiben, wie schnell ich fahren darf? Ich kann doch selber denken!
Mit Wut im Bauch fiel es mir leichter, das Blut abzuschrub-ben. Zum Schluss ging ich rein und wusch mir die Hände. Ich kaufte eine Dose Red Bull und leerte sie in einem Zug.
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