Lehtolainen, Leena
selbst vertragen konnten. Und unser Alter kam gegen Eero nicht an. Er hat versucht, durchzuhalten, aber zuletzt ist er mit blau angelaufe-nem Gesicht und kurz vor dem Umkippen rausgetorkelt, und Eero hatte gewonnen. So einer war dein Vater. Konnte eine Menge Dampf vertragen und gut Gitarre spielen.«
Mehr hat mir Veikko nicht über meinen Vater erzählt. Mutter habe ich nie nach ihm gefragt. Und sonst gab es keinen, den ich fragen konnte, denn mein Alter hatte keine Verwandten. Sein Vater ist unbekannt, und seine Mutter hat sich gleich nach der Entbindung aus dem Staub gemacht. Bei der Hochzeit waren nur seine Musikerfreunde dabei. Da soll noch einer behaupten, Vererbung würde keine Rolle spielen! Vater hat uns verlassen, wie er selbst verlassen wurde. Ich hab keinen Bock, mir Kinder zuzulegen. Find sie sowieso unerträglich. Im Taxi wollen sie immer vorne sitzen und an sämtlichen Knöpfen spielen, und wenn ich es ihnen verbiete, geben mir die Eltern kein Trinkgeld.
Es ist leicht, sich die Fahrgäste bloß als Serie von Einsern und Nullen vorzustellen. Fast alle sind mehr null als eins. Solche, die mich übers Ohr hauen wollen, erkenne ich sofort, und ich habe immer einen Schlagstock und eine Gaspistole dabei. Lieber wäre mir eine richtige Pistole, ich muss mir demnächst einen Waffenschein besorgen. Immerhin ist man als Taxifahrer allen möglichen Junkies ausgeliefert. Mit Besoffenen werde ich schon fertig; wenn es nicht anders geht, schmeiße ich sie mit Gewalt raus oder drohe ihnen mit der Polizei. Dann gibt es noch die Sorte Kunden, die ihre Fahrt mit irgendwelchen Naturalien bezahlen wollen, oder mit Stoff. Manchmal bieten sich verzweifelte Tussis auch selbst an, da weiß man nicht immer, ob sie wirklich kein Geld haben oder bloß auf einen Fick aus sind. So ausgehungert war ich noch nie, dass ich mich auf die Art von Angebot eingelassen hätte.
Es geht mir echt auf den Geist, dass Katja wieder von Großvater und Rane angefangen hat. Ich habe die ganze Geschichte erst Jahre danach gehört und sehe wirklich nicht ein, was es darüber noch zu reden gibt. Die beiden sind seit mehr als zwanzig Jahren tot, und wir leben. Wir sind keinem was schuldig. Katja hat schon immer unseren Eltern die Schuld dafür zugeschoben, dass sie ihr Leben nicht in den Griff kriegt. Ich finde, andere zu beschuldigen ist ein Zeichen von Schwäche. Jeder ist seines Glückes Schmied.
Aus dem Tal stieg Nebel auf, ich schaltete die Nebellampen ein. Plötzlich sah ich Rücklichter vor mir, da zockelte wahrhaftig einer mit siebzig Sachen dahin. In der Dunkelheit konnte ich nicht sehen, wo der durchgehende Mittelstreifen endete. Ich war genervt, es juckte mir in den Fingern, zu hupen oder den Kerl anzublinken. Zu langsames Fahren sollte verboten werden. Wer keinen Mumm hat, die Höchstgeschwindigkeit zu fahren, soll lieber gleich zu Hause bleiben. Ich beschloss, nach der nächsten Kuppe zu überholen. Tief im Bauch spürte ich ein Flattern: Irgendwo wartet ein Elch, der meinen Namen auf den Hörnern trägt. Kommt er heute, auf dieser Strecke? Die Tachonadel bewegte sich nach rechts, hundert, hundertzwanzig, die sanfte Kurve war bei dem Tempo leicht zu nehmen, dann zurück auf die eigene Spur und mit gut hundertzehn Stundenkilometern weiter. Nun hatte ich es nicht mehr weit zur Hankoer Landstra-
ße, wo sich die Kriecher leichter überholen lassen. Mein Auto hat so viel Masse und ist außerdem mit Überrollbügeln und jeder Menge Airbags ausgestattet, vielleicht würde es sogar mit einem Elch fertig. Ich begreife sowieso nicht, warum diese Viecher in Südfinnland frei herumlaufen müssen. Man sollte sie in den Norden verfrachten, meinethalben nach Pielavesi, da gibt es genug Wälder, in denen sie keinen stören. City ist City und Land ist Land, warum kann man das nicht sauber auseinanderhalten? Und Leute, die mit einer Reisschüssel durch die Gegend fahren müssen, können einem leidtun.
Die Stärksten setzen sich durch, das ist ein Naturgesetz. Bei Rockit waren wir noch nicht stark genug, wir sind sofort in Panik geraten, als der Wap-Markt sich nicht so rasant entwickelte wie erwartet. Wir waren alle jung und begeistert, mit meinen dreiundzwanzig Jahren war ich einer der Ältesten. Ich bin in der Oberstufe einmal sitzengeblieben und gleich nach dem Abitur zur Armee gegangen. Eine beschissene Zeit, aber es musste sein, Drückeberger haben nämlich im Berufsleben keine Chance.
Danach habe ich angefangen zu studieren, Informatik, das
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