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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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an Yazu, und ich wusste, die Sache würde kein gutes Ende nehmen.
    »Yazu. Die Melancholie meines Herzens ist größer als ganz Europa.«
    »Wie? Ach, bist du auch poetisch veranlagt, wie ich? Das ist ja herrlich!«
    »Völker und Mächte atmen in mir und wollen leben.«
    Yazu bringt keine eigenen Sätze zustande, er spricht grundsätzlich nur in Zitaten aus allen möglichen Songs. Davon hat er Unmengen im Kopf, auf Finnisch und auf Englisch, alte und neue, beschissene und gute. Die Frauen sind im Allgemeinen zuerst entzückt und dann beleidigt. Sara begriff eine ganze Weile nicht, was los war. Yazu allerdings auch nicht, obwohl Sara ziemlich direkt wurde:
    »Die Männer in meinem Alter sind dermaßen spießig und verknöchert, die haben keinen Funken Kreativität. Ich brauche einen jungen Liebhaber, der auf demselben geistigen Niveau ist wie ich.«
    »Probier es mal mit einem Fünfjährigen«, warf ich ein, doch sie hörte mich nicht. Mein Glück oder mein Pech, wer weiß.
    »Sei Rafaelos Engel für mich«, antwortete Yazu. Da hielt ich es nicht mehr aus. Ich verschwand. Als ich am nächsten Morgen zur Arbeit kam, prusteten die anderen los.

    »Hey, Kaitsu, warum hast du uns gestern im Stich gelassen?
    Die schwanzgeile Schnepfe ist immerhin deine Tante! Unser Yazu hätte beinahe seine Unberührtheit verloren!«
    »Ich hab mir meine Verwandten nicht ausgesucht. Hat sie versucht, Yazu abzuschleppen?«
    »Und wie! Wir sind aufs Klo gegangen und haben uns auf dem Rückweg verdrückt, zum Glück hat sie das nicht geschnallt.
    Schreib mir mal ihre Telefonnummer auf, dann geb ich sie meinem Vater, wenn er mal so richtig verzweifelt ist«, rief Roni.
    Am liebsten hätte ich ihm eine geknallt, aber ich ließ es sein.
    »Ihr seht euch übrigens ähnlich, wie Bruder und Schwester«, schob er noch nach. Ich flüchtete mich an meine Maschine und setzte die Kopfhörer auf. Metallica überdröhnte den Spott.
    Als ich an die Episode zurückdachte, beschloss ich, Sara mit ihrem Glastisch hängenzulassen. Notfalls konnte ich behaupten, der Wagen wäre nicht angesprungen. Mutter würde Sara gegenüber für mich Partei ergreifen und mir gegenüber für sie, sie balancierte immer zwischen uns. Ein Gutes hat Sara aber trotz allem: Im Vergleich zu ihr wirkt Katja fast normal.
    Allerdings wäre es falsch, zu glauben, …

    SECHS
    Sirkka
    … dass ich mir alles gefallen lasse. Es ist nicht meine Schuld, dass mein Sohn sein Versprechen nicht gehalten hat. Der Glastisch meiner Schwester ist nicht mein Problem. Ich kann ja auch nichts dafür, wenn der Lkw vom Auslieferungsdienst eine Panne hat und der Kunde sein Buch nicht am vereinbarten Tag bekommt. Auch Mutters Krebskrankheit war nicht meine Schuld.
    Wir hatten früher zu Hause nicht immer genug zu essen, weil Vater alles vertrank. Schließlich nahm Mutter die Stelle im Laden an, und damit begann die endlose Lügerei um das Geld.
    Sie behauptete, weniger zu verdienen, als sie tatsächlich bekam, damit er nicht alles in Schnaps umsetzte. Vater wollte die Abrechnung sehen. Mutter eröffnete ein eigenes Konto, an das Vater nicht herankam. Die Bankangestellten wussten Bescheid, aber Vater schlug in der Bank immer wieder Krach und versuchte, das Geld aus Mutter herauszuprügeln.
    Vielleicht habe ich deshalb für Katja und Kaitsu immer so gut gekocht wie nur möglich. Als Katja krank wurde, habe ich in einigen Büchern gelesen, der Grund für Essstörungen wären ein schlechtes Verhältnis zur Mutter und die übersteigerte Bedeutung des Essens im Leben der Patienten. Wir haben früher immer Eis gegessen oder Kuchen gebacken, wenn es etwas zu feiern gab und wenn wir Trost brauchten. Wenn ich frischgebackenen Hefekuchen rieche, muss ich jedes Mal an die fröhlichen Augen meiner Kinder denken und an Katjas kräftige Finger, die den Kuchen von der Platte nehmen. Ich selbst setze keinen Kummerspeck an; wenn es mir schlechtgeht, bekomme ich keinen Bissen herunter. Bei Kaitsu ist es genauso. Eero war wie mein Vater, er hing immer an der Flasche, um zu feiern oder seinen Kummer zu ertränken.
    Wieso »war«? Eero ist meines Wissens gar nicht tot. Offenbar wohnt er noch immer in Göteborg, seit fünfundzwanzig Jahren schon. Weit ist er also nicht gekommen. Als er plötzlich roch wie Vater, nach Schnaps und Schweiß, da fing ich an, mich vor ihm zu ekeln.
    Und als er dann ging, war ich nicht überrascht, sondern eher erleichtert. Ich hatte ihm vorgeschwindelt, Katja wäre ein Unfall gewesen, dabei hatte

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