Lehtolainen, Leena
Zusammen mit den Pillen half mir das, den toten Marderhund zu vergessen. Aus lauter Neugier machte ich einen Abstecher ins Zentrum von Kirkkonummi, wo oft Taximangel herrscht. Am Bahnhof stand ein Pärchen, das einen ordentlichen Eindruck machte; sie hatten schon vor einer Viertelstunde per Handy ein Taxi bestellt, das noch immer nicht erschienen war. Der Stärkere setzt sich durch. Ich forderte die beiden auf, einzusteigen. An den Kollegen, der umsonst angefahren kam, verschwendete ich keinen Gedanken. Hätte er sich eben ein bisschen beeilen sollen.
Die nächste Fuhre bekam ich in Kivenlahti, danach kam das Geschäft allmählich in Gang. Die Kneipen machten zu, und die Gäste wollten schnell nach Hause. Zwei Schwule ließen sich von Henttaa nach Mankkaa fahren und knutschten auf der Rückbank wie die Weltmeister. Manch anderem wäre der Kragen geplatzt, aber mir nicht. Ich habe nichts gegen Homos und sonstige Spinner, in einer Großstadt muss es auch solche Typen geben. Mir ist jeder Fahrgast recht, solange er anständig zahlt und mich nicht anlabert.
In Ruoholahti winkte einer, dem man den Junkie von weitem ansah, also fuhr ich vorbei. Kein Problem, ich hatte Kunden genug. Auf dem Westring musste ich ein bisschen drängeln, zum Glück waren nirgends Radarfallen zu sehen. Ich habe sowieso erst sechs Strafzettel, also brauche ich mir vorläufig keine Sorgen zu machen.
Um sechs war meine Schicht zu Ende, ich schlich mich leise in die Wohnung, um Mutter nicht zu wecken, die noch eine Stunde schlafen konnte. Ich war ziemlich aufgedreht. Mutter hatte mir Butterbrote zurechtgemacht, die aß ich auf, dann ging ich ins Bad und wusch mich. Durch den Nebel schimmerte die aufge-hende Sonne. Ich nahm eine Schlaftablette, um schnell wegzudämmern. Der Arzt hatte verständnisvoll genickt, als ich ihm erklärte, dass ich Schicht arbeitete, und mir die Tabletten verschrieben, allerdings mit der Mahnung, sie nur im Notfall zu nehmen. Der Notfall wiederholte sich fast jeden Tag.
Gegen eins weckte mich das Telefon. Normalerweise zog Mutter über Nacht den Stöpsel heraus, weil Sara zu den unmög-lichsten Zeiten anrief. Ich überlegte, ob ich drangehen sollte. Für mich war der Anruf bestimmt nicht, denn meine Freunde riefen mich nur auf dem Handy an. Das Telefon klingelte mehr als zwanzigmal, verstummte kurz, dann fing das Gebimmel wieder an.
Einschlafen konnte ich sowieso nicht mehr, also stand ich auf und nahm den Hörer ab.
»Tiainen.«
»Hallo, Kaitsu«, zirpte Sara mit Kleinmädchenstimme. »Fein, dass du da bist. Weißt du was, ich habe gerade einen phantasti-schen Glastisch gekauft, den ich nach Hause kriegen muss. In deinen Wagen passt er bestimmt. Bist du gerade frei?«
»Ja, aber …«
»Ich muss um drei wieder in der Stadt sein, kannst du schnell herkommen? Zu Stockmann in die Möbelabteilung, ich warte hier.«
»Das wird aber fast eine Stunde dauern, ich muss erst mal wach werden und duschen. Wie viel zahlst du?«
Die Frage war reine Stichelei. Für einen neuen Tisch hatte Sara Geld, aber für ein Taxi nie.
»Sirkka hat versprochen, dass du mir hilfst … Hör mal, Kaitsu, was du nach der Beerdigung getan hast, das habe ich dir längst verziehen. Dich hat Großmutters Tod sicher auch erschüttert, obwohl ein erwachsener Mann das vielleicht nicht so zugeben kann …«
Ich verabscheue Sara. Mitunter hasse ich sie sogar. Ich habe mich selten so geschämt wie vor ein paar Jahren in der Ysi-Bar.
Die halbe Rockit-Crew war im Fitnessstudio gewesen, wir hatten von der Firma aus Monatskarten für das Gold’s, und anschließend gingen wir meistens ins Ysi, um noch was zu trinken. Nach einer Weile merkte ich, dass sich eine Frau an unseren Tisch heranpirschte. Scheiße, es war meine Tante Sara.
Wir waren mit der üblichen Clique da, Roni, Yazu und ein paar andere, und wollten nicht allzu lange bleiben, weil es mitten in der Woche war. Sara hatte einen merkwürdigen Sack an, unter dem ein türkiser Minirock hervorblitzte. An den Füßen trug sie Schuhe mit Plateausohlen wie ein Teenager.
»Kaitsu, grüß dich! Willst du mich deinen Freunden nicht vorstellen?« Ohne zu fragen, nahm sie einen Stuhl vom Nebentisch und setzte sich zwischen mich und Yazu.
»Meine Tante«, sagte ich und beschloss zu verschwinden, sobald ich mein Bier ausgetrunken hatte.
»Stimmt, obwohl wir nur fünfzehn Jahre auseinander sind«, erklärte Sara hastig und fummelte an ihren Haaren herum. »Ich bin Sara, und wer bist du?« Sie wandte sich
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