Lehtolainen, Leena
CD
gebrannt, möchtest du eine Kopie?«
»Au ja!«
»Ich weiß nicht, ob sie dir was nützt, aber ich habe mit Joey über die Prinzipien des Songschreibens gesprochen und versucht, Heko und Pekka dieselben Fragen zu stellen. Hast du die Ramones jemals live erlebt?« Kode kam ins Erzählen, ich hörte ihm zu und stieß zwischendurch ein nervöses Lachen aus, das meinen ganzen Körper zu wärmen schien. Wir sprachen fast eine halbe Stunde lang, zwischendurch schweiften wir von der Musik zur Weltpolitik ab und zu Kodes liebstem Verkehrsmittel, der Straßenbahn. Als das Gespräch vorbei war, umarmte ich mich selbst. Ich dachte an das junge Mädchen, das beim Auftritt von Salamasota im Park gekreischt und sich müde getanzt hatte, und wünschte mir, ich könnte ihm in die Vergangenheit hinein zurufen, was sie erwartete. Wären die letzten Schuljahre und die Trennung von Karri leichter gewesen, wenn ich gewusst hätte, was die Zukunft mir bringen würde?
Es war nicht der richtige Tag, um melancholische Lieder zu üben. Draußen schneite es heftig, aber in meinem Inneren schien die Sonne, ein sanfter Wind verbreitete Birkenduft.
»Warum singe ich« von Merikanto war für meine dunkle Stimme ziemlich schwierig, doch diesmal fiel es mir leicht, mich in den Jubel einzuleben, den das Lied ausdrückte. Nach dem Üben stellte ich einen Gemüseeintopf in die Backröhre und ging hinaus in den Sturm. Ich lief beinahe, der Wind schob mich vorwärts, und die Erinnerung an Kodes Lachen machte meine Beine leicht. Der Schnee dämpfte die Geräusche der Stadt und machte sie freundlicher.
Die CD kam bereits am nächsten Tag. Kodes leicht nasale Stimme brachte mich zum Lächeln. In meinem Seminar ging es an diesem Abend um die Bands, über die ich meine Arbeit schrieb; ich änderte das Manuskript ein wenig ab, sodass ich Proben aus dem Interview einspielen konnte. Schon beim ersten Hören hatte ich zudem mindestens drei Stellen gefunden, die ich in meiner Untersuchung zitieren konnte. In Gedanken entwarf ich bereits das Vorwort samt Danksagungen. Einer derjenigen, dem ich danken würde, war natürlich Kode Salama.
Wir hatten vereinbart, dass die Kursteilnehmer keine Noten bekamen, sondern nur einen Schein, unter der Voraussetzung, dass sie mindestens an vier Fünfteln der Stunden teilgenommen und ihre Referate gehalten hatten. Nun einigten wir uns darauf, in der letzten Stunde Musik zu hören: Jeder Teilnehmer sollte einen finnischen Song aus den achtziger Jahren wählen, der seiner Meinung nach der bedeutendste war.
»Die Lehrerin natürlich auch«, meinte Inkeri, die Begabte aus dem dritten Semester. Ich musste lächeln. Welches Stück von Salamasota sollte ich nehmen?
Am nächsten Tag zerstörte Mutter meine gute Laune. Ich war in der letzten Zeit so beschäftigt gewesen, dass ich kaum an Saras Dokumentarfilm gedacht hatte. Nur manchmal, nach drei oder vier Drinks, beschäftigte ich mich mit der Frage, wer Großvater umgebracht hatte, Sara oder Mutter. Bei Tageslicht sagte mir mein vernünftiges Ich, dass diese Überlegungen sinnlos waren. Das Gericht hatte sicher gewusst, was es tat.
»Hast du in letzter Zeit mit Sara gesprochen?«
»Nur kurz.« Sie hatte natürlich angerufen und gefragt, was ich von ihrem Fernsehauftritt hielt. Dieses eine Mal hatte ich das Wort gefunden, das meine Gefühle genau ausdrückte: Ich war erschüttert gewesen. Diese Bemerkung hatte ihr ganz offensichtlich gefallen. Auch über meinen Auftritt auf der Adventsfeier hatten wir gesprochen. Ich hätte wesentlich weniger Lampenfieber gehabt, wenn Sara nicht so viel Aufhebens darum gemacht hätte.
»Siehst du sie ab und zu?«
Ich berichtete von der Adventsfeier.
»Dann mach ihr bitte klar, dass sie bei uns zu Weihnachten nicht erwünscht ist.«
»Das ist doch nicht meine Sache!«
»Dieses eine Mal kannst du deiner Mutter ja wohl einen Gefallen tun. Immerhin verlange ich nicht, dass du dich von Sara fernhältst, du bist ein erwachsener Mensch und musst deine eigenen Entscheidungen treffen.«
»Du doch auch. Schreib ihr einen Brief, wenn du nicht mit ihr reden willst.«
Am selben Tag brachte die Post die Weihnachtsplatten der beiden größten Plattenfirmen, über die ich innerhalb einer Woche Besprechungen schreiben musste. Eigentlich mochte ich Weihnachtsmusik, vor allem geistliche, doch die meisten Aufnahmen waren so pompös und süßlich, dass ich mich fühlte, als hätte ich eine Überdosis Karamellbonbons gegessen. Obwohl es dafür noch
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