Lehtolainen, Leena
gescheckte Junge auf den Arm. Dabei erinnerte ich mich, wie Elina Hujanen einmal bei uns gewesen war, um sich ein Katzenjunges auszusuchen.
Sirkka und ich hatten gespannt darauf gewartet, welches der Tiere dem Tod entgehen würde. Allerdings würde wohl niemand Hundejunge töten, selbst wenn es Mischlinge waren.
Der Gescheckte war neugierig, er kaute zuerst an meinem Hemdkragen und dann an meinem Finger. Görans Schwester versprach, dass ich ihn zu Weihnachten holen könne. Ich sagte, am Heiligabend sei ich nicht zu Hause, aber am ersten Feiertag würde ich vorbeikommen. Die Kinder hatten den Gescheckten Growlithe getauft, nach irgendeinem Pokemon, aber ich konnte ihm natürlich einen neuen Namen geben. Görans Schwester verlangte zweihundert Mark für den Welpen.
Wir begossen den Handel mit Kaffee. Das Hefegebäck schmeckte herrlich, ich aß drei Stück. Görans Schwester bestand darauf, mir drei weitere einzupacken, und lächelte breit. Der Weg war glatt, ich nahm mir vor, am nächsten Tag die Winter-reifen aufzuziehen. Nun war ich Hausbesitzer und beinahe Hundebesitzer. Ich hatte noch nie für ein Lebewesen gesorgt, die Verantwortung erschien mir groß. In Gedanken stellte ich eine Liste des Zubehörs auf, das ich für den Hund besorgen musste.
Der Kirchturm leuchtete, als wolle er daran erinnern, dass es noch andere Lichter gab als die roten Augen der Handymasten, die überall aufragten. Mutter hatte bis zuletzt an Gott geglaubt, und als sie mich einmal besuchte, wollte sie unbedingt in die Kirche von Degerby, wo zufällig gerade ein finnischsprachiger Gottesdienst stattfinden sollte. Sie versuchte, mich zum Mitkommen zu überreden, doch ich berief mich darauf, dass wir nur ein Fahrrad zur Verfügung hatten. Als sie zurückkam, sagte sie, sie habe für mich gebetet. Jedem anderen hätte ich das übelge-nommen.
In der Nacht träumte ich von einem Kreuz, das ich einen staubigen Hügel hinaufschleppen musste. Ich hatte das Gefühl, es nie im Leben zu schaffen. Dann rief mir eine unbekannte Stimme zu, ich selbst sei mein Kreuz. Davon wurde ich wach.
Mich verstörte vor allem, dass ich im Traum ein Leinengewand und Sandalen getragen hatte wie auf einem Jesusbild. Ich hatte mich nie als Christus gesehen, denn ich konnte mich nicht …
FÜNFZEHN
Katja
… mit den Frauen identifizieren, von denen die Lieder der Bands handelten. Ich war keine Femme fatale wie Sheena, aber auch nicht das brave Mädchen von nebenan. Leena, die Kleb-stoff schnüffelte, wäre ich nicht gern gewesen, doch von allen Frauengestalten war sie mir am ähnlichsten. Am ehesten fühlte ich mich wie einer der jungen Männer, die lieber Musik machten, als im Haushalt zu helfen, und deshalb verlassen wurden.
Mit der Magisterarbeit kam ich gut voran, was ich vor allem den interessanten Antworten von Kode Salama und den anderen Bands zu verdanken hatte. Auf der Homepage der Luumäet fand ich einen Aufsatz von einem Forscher namens Mikko Aho über das Frauenbild in den Songs der Gruppe und beschloss, seine Gliederung zu übernehmen, wenn ich die Texte anderer finnischer Bands und die der Ramones analysierte. Ich musste mir immer wieder bewusstmachen, dass ich meine Arbeit in Musik-und nicht in Literaturwissenschaft schrieb, aber wie kann man Lieder analysieren, ohne Text und Musik miteinander zu verbinden?
Die Wichtigkeit der Textanalyse betonte auch meine Gesangslehrerin.
»›Dunkle Kräuter‹ ist ein finnisches Lied, nach einem Gedicht von L. Onerva. Du verstehst also jedes Wort. Warum höre ich das nicht, wenn du singst? Es ist ein tragisches Lied, kein fröhliches Tralala. Warst du jemals unglücklich verliebt?«
Ich wusste, dass Riitta mit vielen Schülern über Privatangelegenheiten sprach. Für Viivi, die ihr regelmäßig von ihren Männergeschichten erzählte, suchte sie jeweils die zu ihrer Stimmung passende Musik aus. Ich hatte über mein Privatleben immer geschwiegen.
»Wer wäre das nicht gewesen?«, antwortete ich lahm.
»Genau! Dann denk jetzt daran zurück. Aber mit dem Gefühl, nicht mit dem Verstand! Probieren wir es noch einmal.«
Ich begann wieder zu singen. Rastlose Klaviertriolen kräusel-ten sich wie ein Wasserlauf irgendwo im Süden, wo die Nacht schwarz und warm war. Ich versuchte, mit kontrollierter und doch warmer räsonierender Kraft zu singen, dann wurde mir klar, dass ich mich einfach der Musik hingeben musste. Wenn ich zu Hause Platten hörte oder eigene Lieder sang, konnte ich es ja auch.
»Schon besser«,
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