Lehtolainen, Leena
sah er das freudige Flackern in meinen Augen, denn er fügte hastig hinzu: »Aber er lebt seit Jahren mit Sanna zusammen, sie haben zwei Kinder. Riina geht in die zweite Klasse, Riku in die Vorschule.«
»Aha.« Mehr brachte ich nicht heraus.
»Bist du jetzt enttäuscht?«
»Warum? Ist doch schön, dass Kode sein Surfgirl gefunden hat«, sagte ich leichthin. Ich wollte aufstehen, irgendwohin gehen, wo ich niemanden kannte, und mich betrinken.
»Hast du einen festen Freund?« Pekka sah mir in die Augen, doch ich wich seinem Blick aus.
»Geht dich das was an?«
»Nein, aber es interessiert mich trotzdem.«
»Na gut, ich bin Single.«
Er trank sein Bier aus und sah mich fragend an. Ich nickte. Als er mit einem Bier und einer Rum-Cola zurückkam, brach es förmlich aus ihm heraus:
»Ich war bereit zu heiraten, aber Ursula wollte nicht. Deshalb bin ich umgezogen. Wir haben uns vor kurzem getrennt.«
»Tut mir leid«, sagte ich unverbindlich. Ich nippte an meinem Drink und suchte nach einem harmlosen Gesprächsthema. Wie dumm von mir, zu glauben, Kode wäre noch frei. Natürlich war ein solches Prachtstück längst vergeben.
»Ursula ist fünf Jahre jünger als ich, sie hat an der Handels-hochschule studiert. Wir haben uns vor drei Jahren auf einer Party kennengelernt. Anfangs fand sie es interessant, dass ich ganz andere Interessen habe als sie, aber auf lange Sicht passe ich wohl nicht in ihre Karrierepläne. Als künftige Bankdirekto-rin braucht sie einen repräsentativen Gatten.«
»Aha«, murmelte ich peinlich berührt. Was ging mich Pekkas Privatleben an?
»Ist dein Vater eigentlich zurückgekommen?«, fragte er nach einer langen Pause.
»Was?«
»Dass dein Vater euch verlassen hat, war eines der schrecklichsten Erlebnisse meiner Kindheit. Mutter hat tagelang geweint, sie hatte solches Mitleid mit euch und eurer Mutter.
Marjukka und ich lebten in ständiger Angst, unser Vater würde auch einfach weggehen. Erst als Erwachsener habe ich erfahren, dass unser Vater damals eine Affäre hatte und Mutter deshalb so heftig reagiert hat. Du erinnerst dich sicher nicht mehr daran, wie wir uns einmal beim Auftritt von Salamasota im Park über den Weg gelaufen sind. Damals war unser Vater gerade zu seiner Flamme gezogen, und ich wünschte mir verzweifelt, dass er wieder zurückkäme. Ich war am Boden zerstört. Deswegen hab ich dich damals nach deinem Vater gefragt.«
Ich starrte ihn verwundert an. Ich hatte die Kalmanlehtos immer als ideale Familie angesehen, die alles hatte, was uns fehlte. Pekkas Fragen nach meinem Vater hatte ich für boshafte Sticheleien gehalten.
»Er ist nicht zurückgekommen, er wohnt jetzt in Göteborg. Ich würde ihn nicht erkennen, wenn er mir auf der Straße entgegenkäme.«
»Wahnsinn! Ich hab inzwischen ein ganz gutes Verhältnis zu meinem Vater. Möchtest du noch eins?«
Ohne darauf zu achten, hatte ich mein Glas ausgetrunken. Ein drittes hätte mir zwar geschmeckt, aber ich wollte nicht länger mit Pekka reden. Er hatte mir ohnehin schon zu viel zu denken gegeben. Also lehnte ich ab und sagte, ich müsse nach Hause.
»Gib mir deine Telefonnummer, dann verabreden wir uns irgendwann mal zum Billard«, bat er. Ich tat es, obwohl ich hoffte, er würde mich nicht anrufen, und speicherte auch seine Nummer auf meinem Handy.
Kode Salama war nicht mehr frei, und Pekka Kalmanlehto hatte mich damals vor fast zwanzig Jahren gar nicht verhöhnt.
Über beides dachte ich nach, während ich im eisigen Wind auf meinem Balkon saß. Ich musste mir sowohl von der Vergangenheit als auch von der Gegenwart ein neues Bild machen, doch das wollte mir nicht gelingen.
Wieder kam der Traum. Ich stand hinter dem Vorhang und wartete auf meinen Auftritt, vor mir schimmerte der Spiegel, durch den ich bald hindurchgehen musste. Auf der Bühne sang neben Jorma Hynninen als König auch Kode Salama, der überraschenderweise einen dunklen Bass hatte. Vor lauter Panik verstand ich die Worte nicht, sah aber den Dirigenten auf dem Monitor und wusste, dass ich beim nächsten Takt auf die Bühne musste. Meine Haare hingen bis auf die Erde herab, und beim ersten Schritt verhedderte ich mich in ihnen und fiel hin. Davon wachte ich auf.
Als ich am Samstagabend mit der Straßenbahn zur Oper fuhr, gratulierte ich mir zu der guten Idee, mir einen angenehmen Zeitvertreib verschafft zu haben, denn an einsamen Wochenen-den fiel es mir besonders schwer, nicht zur Flasche zu greifen.
In der Pause würde ich mir ein Glas
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