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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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weniger Honorar gab als für Einzelbesprechungen, entschied ich mich für eine Sammelrezension, denn ich hätte über keine der Platten mehr als zwei Sätze zu sagen gewusst.
    Wieder kam mir der Verdacht, nicht das Zeug zur Musikkritike-rin zu haben.
    Natürlich rief ich Sara nicht an. Ich wünschte, ich hätte an Weihnachten etwas anderes vor, denn ich fand es keineswegs verlockend, Mutters saures Gesicht und Veikkos Spott zu erleben. Es war mir ein Rätsel, weshalb Veikko jedes Jahr zu uns oder zu Großmutter kam, obwohl er sowohl das christliche wie das kommerzielle Weihnachtsfest hasste. Wenn Großmutter am Heiligen Abend das Weihnachtsevangelium vorlas, hatte er meist die Augen zugemacht und höhnisch gelächelt. Geschenke brachte er immerhin mit, jedes Mal Bücher. Gedichte für mich, Ratgeber über Lebenskunst für Sara, Schmöker für Mutter und Krimis für Kaitsu.
    Am Wochenende hatte ich zum ersten Mal seit langer Zeit einen Auftrag als Konzertkritikerin, gespielt wurde Bachs Weihnachtsoratorium. In der Woche darauf hörte ich es mir noch einmal an, ohne Verpflichtungen, nur zum eigenen Vergnügen. Ich hielt die Partitur in der Hand und gab mich kühl, obwohl ich in Wahrheit die Solisten, vor allem die Altistin Monica Groop, glühend beneidete. Nie würde ich lernen, so zu singen. Ich versuchte, mich mit dem Gedanken zu trösten, dass ich mich am Gesang der anderen erfreuen konnte, doch das war ein magerer Trost.
    Am Montag quälten Viivi und ich uns durch die Chorprobe an der Musikschule. Da es an der ganzen Schule nur einen einzigen männlichen Gesangsschüler gab, der noch dazu Tenor sang, waren wir ein reiner Frauenchor. Die unteren Altstimmen waren sterbenslangweilig, es ärgerte mich, dass die Arrangements von unserem Chorleiter stammten und nicht von Bach, bei dessen Chorwerken ich mir immer wünschte, ein Bass zu sein. Nach der Probe schlug ich Viivi vor, zusammen ein Bier zu trinken, aber sie musste auf dem schnellsten Weg nach Hause, um Glöckchen ans Eislaufkostüm ihrer Tochter zu nähen. Also beschloss ich, ebenfalls nach Hause zu gehen und mir ein Video anzusehen, irgendeinen lustigen Film. Doch als ich an der Eckkneipe vorbeikam, wurde ich schwach. Es war nicht viel Betrieb, und ich hatte ein Buch über die Band Popeda dabei, hinter dem ich mich verschanzen konnte, um nicht dumm angequatscht zu werden. Einen Schnaps konnte ich mir wohl gönnen. Aber nur einen.
    Ich trank in aller Ruhe meinen Schnaps und gab mir Mühe, über die Seltsamkeiten des finnischen Rock ’n’ Roll wenigstens nicht laut zu lachen. Da merkte ich, dass sich jemand meinem Tisch näherte.
    »Hier ist kein Platz frei«, knurrte ich, ohne aufzusehen.
    »Wirklich nicht, Katja?« Ich hob den Blick gerade so weit, dass ich Pekka Kalmanlehto sah, der mit dem Schal seine Brille polierte.
    »Ach, du bist es. Na, dann setz dich.«

    Pekka hatte ein Bierglas in der Hand. Er erzählte, er habe seine Platten eingeräumt und dabei Durst bekommen, aber kein Bier mehr im Haus gehabt.
    »In letzter Zeit trinke ich ziemlich wenig. Ist das deine Stammkneipe?«
    »Ich hab keine Stammkneipe.«
    »Im ›Pik fünf‹ gibt es einen Billardtisch, wollen wir da irgendwann mal hingehen?«
    »Ich kann nicht Billard spielen.«
    »Das bring ich dir bei. Kode ist total begeistert von deiner Magisterarbeit. Musikwissenschaft muss spannend sein. Erzähl mir was darüber.«
    Ich lieferte ihm einen Intensivkurs über die Grundlagen der Musikwissenschaft. Zu meiner Überraschung wirkte er ernsthaft interessiert. Ich versuchte mich zu erinnern, wie er als Kind gewesen war, doch das Einzige, was mir einfiel, war sein breites Lächeln, das sich in all den Jahren nicht verändert hatte. Wie er als Kind gesprochen hatte, war mir nicht im Gedächtnis geblieben, jetzt, als Erwachsener, hatte er eine helle, weiche Stimme.
    Offenbar war er damals keiner der schlimmsten Quälgeister gewesen, sonst hätte ich mich genauer an ihn erinnert. Er schien seine Arbeit im Studio Blitz sehr zu mögen. Das weckte nun mein Interesse, denn er sprach über Kode Salama.
    »Kode ist echt gut in seinem Job. Er hat einen guten Riecher und respektiert den persönlichen Stil seiner Künstler. Er produziert keine Dutzendware.«
    »Ihr kommt gut miteinander aus, oder?«
    »Wir sind Kollegen und Freunde.«
    Nach einigem Zögern wagte ich die Frage zu stellen, die mir auf der Zunge lag: »Ist Kode eigentlich verheiratet?«
    »Nein, verheiratet ist er nicht«, antwortete Pekka. Vielleicht

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