Lehtolainen, Leena
zischte sie und ging.
Sirkka will mich an Weihnachten von der Familie ausschlie-
ßen, aber ich werde trotzdem hingehen. Wenn sie der Wahrheit ausweicht und alles abstreitet, ist das ihr Problem, ich will der Sache jedenfalls auf den Grund gehen.
»Du schreibst doch selbst in all deinen Büchern über unser Leben! Wieso sind deine Romane etwas anderes als mein Dokumentarfilm?«, hatte ich Veikko am Telefon gefragt, aber keine Antwort bekommen. Er ist ein elender, einsamer Neuroti-ker, der sich vor Frauen und Sex fürchtet. So einer wird nie ein guter Schriftsteller.
Mutters Erbe ist endlich überwiesen worden. Davon konnte ich die Stühle bezahlen, die ich bei Stockmann gekauft hatte.
Für die Überziehung meines Verbraucherkredits haben sie mir unverschämt hohe Zinsen berechnet. Trotzdem blieben mir noch achtzigtausend, also holte ich im Reisebüro einige Kataloge. Ich hatte einen Urlaub unter südlicher Sonne verdient, auch wenn ich nicht wusste, wohin ich mich wagen konnte, bei dieser schrecklichen Weltlage, an die ich gar nicht denken mochte.
Vielleicht konnte ich Sirkka mit einem teuren Weihnachtsgeschenk besänftigen, mit Sisley’s Antifaltencreme zum Beispiel.
Im Indien-Basar entdeckte ich ein wundervolles Festkleid für die Weihnachtszeit, tiefrot und golden, mit Fransen und kleinen Spiegeln, herrlich feminin und wallend. Genau mein Stil, und nicht einmal teuer. Am liebsten hätte ich gleich zehn gekauft.
Veikko riet mir, einen Teil des Geldes auf ein hochverzinsliches Konto zu legen und einige Monatsmieten im Voraus zu zahlen.
Diese Beamtenseele! Ein echter Künstler würde seine Freunde einladen und sie großzügig bewirten, aber unser Veikko zahlt von der Erbschaft seine Schulden ab. Allerdings hat er auch keine Freunde, mit denen er feiern könnte. Wer will sich schon mit einem so säuerlichen Kerl abgeben!
Ein phantastisches Parfüm habe ich auch noch gekauft. Düfte sind lebenswichtig für mich, sie inspirieren mich. Ohne Räucherstäbchen und Duftkerzen kann ich nicht leben. Sirkka, die zu ihrem geistigen Ich keinerlei Bezug hat, behauptet, sie bekäme davon Kopfschmerzen.
Wegen Katjalein war ich tagelang ganz aufgeregt, immerhin hatte ich ihr den Auftritt verschafft. Hoffentlich ging alles gut!
Ich rief sie jeden Tag an und versuchte, ihr Mut zuzusprechen.
»Die Leute nehmen es nicht so genau, und wenn sie erst mal was getrunken haben, sind sowieso alle zufrieden. Gemeinsames Singen wäre auch nicht schlecht, du kannst doch die Leute sicher anleiten.«
»Davon war keine Rede.« Sie klang plötzlich abweisend, fast, als wolle sie ihren Auftritt absagen.
»Aber wir reden doch gerade darüber! Ich könnte als Vorspiel ein Wichtelspiel bieten.« Ich musste plötzlich über meine Worte lachen. »Als Vorspiel, ist das nicht ein hübscher Witz? Darüber lachen die Leute bestimmt. Ich kenne ein Spiel für Erwachsene zur Melodie von ›Die Kerzen erlöschen‹, bring die Noten mit!«
Sie klang immer noch nicht begeistert. Dass ein junger Mensch so konventionell sein kann! Natürlich kennt sie die Leute aus den Kunstzirkeln nicht. Darunter sind alle möglichen Typen vertreten. Ich gehe neuerdings auch zur Keramikgruppe, weil die inneren Energien so herrlich freigesetzt werden, wenn man auf den feuchten Ton einschlägt. Die anderen Teilnehmer sind allerdings ausgesprochen vorsichtig und pedantisch, anders als bei der Ölmalerei.
Hoffentlich kommt Juhani zur Adventsfeier. Allerdings fürchte ich, seine verklemmte Frau wird es ihm nicht erlauben. Hinter der Maske des Geschichtslehrers steckt bei Juhani eine echte Künstlerseele. Er hätte an der Kunsthochschule studieren sollen.
Anfangs war er sehr verschlossen, doch ich habe ihn dazu gebracht, sich zu öffnen, und nun haben seine Gemälde ganz neue, kräftige Farben. Er bezeichnet mich als seine Muse. Seine Frau unterrichtet auch Geschichte, sie ist ein vertrocknetes Wesen und beschäftigt sich mit Porzellanmalerei. Eine pingelige Fleißarbeit, die genau zu ihr passt! Sie ist religiös und geht nie auf irgendwelche Feste. Juhani hat sich nicht direkt dazu geäußert, doch ich kann mir vorstellen, dass ihre sexuelle Beziehung zum Gähnen langweilig ist.
Die Feier fand in der Cafeteria der Volkshochschule statt. Ich hatte die Dekoration mit großem Einsatz entworfen: Chiffon und Gaze in weihnachtlichem Rot, dazwischen Kerzen, die wie rote Herzen leuchten. Sie sollten nach Apfel, Zimt und Vanille riechen. Es war mir unbegreiflich, wie jemand
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