Lehtolainen, Leena
gegen natürliche Aromen allergisch sein konnte. Das mussten Menschen sein, die sich vor den geistigen Reaktionen auf eine Aromatherapie fürchteten.
Ich zog mein wundervolles neues Kleid an, in dem ich aussah wie fünfundzwanzig, schminkte mir die Augen geheimnisvoll dunkel und machte mich auf den Weg. Da ich keine Zeit gehabt hatte, durch die Stadt zu laufen und Dekorationsstoff zu besorgen, hatte ich Jutta damit beauftragt. Als ich nun in die Cafeteria kam, sah ich, dass sie völlig falschen Stoff gekauft hatte, steifes, klobiges Netzgewebe. Sie ist selbst ziemlich klobig, und ihre Gemälde sind miserabel, nichts als ängstliche graue Farben mit einem Schimmer von schlierigem Blau. Sie arbeitet wochenlang an einem Bild und macht genaue Entwürfe, bevor sie es wagt, den Pinsel in die Hand zu nehmen. Sie hat keinerlei Spontaneität oder schöpferische Kühnheit.
Ich schickte sie zum nächsten Stoffgeschäft und begann zu dekorieren. Ich hatte eine Höhle voller erotischer Wärme schaffen wollen, doch die starren Stoffe gaben einem das Gefühl, in einer riesigen Tomate zu sitzen. Gegen den Verdruss brauchte ich ein Glas Rotwein. Jutta kam mit dem neuen Stoff zurück und fragte, wer ihn bezahlen würde. Ich riet ihr, die Rechnung dem Kunstlehrer zu geben, doch sie stotterte, sie brauche das Geld sofort. Hätte sie eben gleich den richtigen Stoff kaufen sollen.
Katja war pünktlich. Sie trug wieder einmal Schwarz, eine Hose mit weiten Beinen und eine schmale Jacke, die ihre unverhältnismäßig großen Brüste und ihre männlich breiten Schultern betonte. Vom Körperbau her hätte man sie für eine Schwimmerin halten können. Mir schien, dass sie ein wenig zugenommen hatte, doch ich verzichtete darauf, es ihr zu sagen.
Ich habe es zum Glück seit langem nicht mehr nötig, auf meine Linie zu achten. Katja war offensichtlich nervös, sie ließ ihre Noten fallen und hatte Schwierigkeiten, den Notenständer aufzubauen.
»Willst du nicht doch ein Beruhigungsmittel?«, fragte ich besorgt, denn wenn sie ihren Auftritt verpatzte, würde es auf mich zurückfallen.
»Nein danke. Ich muss lernen, ohne zurechtzukommen.«
Vor der roten Dekoration wirkte sie blass, auch ihr Lippenstift war fast farblos. Das war gerade in. Ich kümmere mich nicht um irgendwelche Trends, ich habe meinen Stil gefunden und bleibe ihm treu. So halten es alle starken Frauen.
»Dann trink einen Schluck Wein, das entspannt«, schlug ich vor.
Ihre Augen funkelten unheilverkündend. Beinahe bereute ich mein Angebot, doch sie lehnte auch den Wein ab. Ich schenkte mir nach und zupfte den Dekorationsstoff zurecht. Da fragte Katja auf einmal, wo sie sich einsingen könne. Warum hatte sie das nicht zu Hause getan? Immerhin brauchte sie mit der Straßenbahn keine zehn Minuten zur Volkshochschule. Zum Glück fand ich ein kleines Klassenzimmer, wo sie üben konnte, ohne vom Publikum gehört zu werden.
Natürlich hatten nicht alle Kursteilnehmer Zeit für die Adventsfeier, insgesamt kamen etwa sechzig. Wir hatten vereinbart, eine Art Bottle-Party zu veranstalten, zu der jeder mitbrachte, was er wollte: Wein, Käse, Weihnachtsplätzchen.
Außer Katjas Auftritt stand der Besuch des Weihnachtsmanns auf dem Programm, und zum Schluss sollten zum Tanzen Platten aufgelegt werden. Für eine Band reichte das knappe Budget nicht.
Mitte der achtziger Jahre hatte ich auch eine eigene Band, natürlich mit mir als Sängerin. Wir hatten keinen Erfolg, weil der Gitarrist ein Säufer war und der Keyboarder noch bei drei weiteren Combos mitspielte. Für meine Songtexte hatten die beiden auch kein Verständnis, dabei versuchte ich, in der finnischen Popmusik eine ähnliche sexuelle Revolution anzuzet-teln wie Madonna auf der internationalen Bühne.
Wahrscheinlich war ich meiner Zeit voraus, wie so oft. Katjas Lieder sind viel zu prüde. Man sollte die Dinge beim Namen nennen, finde ich.
Nachdem die Gäste ein wenig Wein getrunken hatten, lockerte sich die Stimmung allmählich. Auch Juhani war gekommen, allerdings in Begleitung seiner zänkischen Frau, die es tatsächlich über sich gebracht hatte, ihre Kinder einem Babysitter anzuvertrauen. Obwohl Juhani viel begabter ist als dieses Weibsstück, kann er nicht jeden Tag malen, denn die Dame braucht einen freien Abend in der Woche, um auf ihrem Porzellan herumzutupfen. Bei diesem Gedanken kam mir eine komische Assoziation, über die ich so lachen musste, dass ich mich beinahe an meinem Wein verschluckt hätte. Zu dumm, dass
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