Leibniz war kein Butterkeks
wirklich?
Selbstverständlich! Und zwar nicht nur bei astrologischen »Weissagungen«. Aus der medizinischen Forschung kennen wir den sogenannten »Placebo-Effekt«: So spüren Patienten, die meinen, ein starkes Schmerzmittel erhalten zu haben, tatsächlich weniger Schmerzen, obwohl das ihnen verabreichte »Medikament« gar keine schmerzstillenden Wirkstoffe, sondern bloß Zucker oder Stärke enthält. Die positive Erwartung, dass eine Behandlung helfen wird, führt offensichtlich dazu, dass eigentlich wirkungslose Präparate tatsächlich Wirkungen entfalten. Sogar Scheinoperationen haben derartige positive Effekte: In einem Experiment in Texas wurden 120 Patienten mit Knie-Arthrose »operiert«. Davon erhielten allerdings 60 statt einer »echten OP« nur oberflächliche Schnitte auf der Haut. Als man die Patienten zwei Jahre nach der OP befragte, waren 90 Prozent der Patienten beider Gruppen mit der »Operation« zufrieden. Der einzige Unterschied zwischen den Gruppen war, dass die »Nicht-wirklich-Operierten« weniger Schmerzen verspürten als die Kontrollgruppe.
Das ist ja verrückt! Im ersten Moment würde man meinen, dass es nicht nur menschenverachtend, sondern auch total unsinnig ist, Menschen vorzumachen, dass sie operiert worden sind, wenn in Wirklichkeit gar nichts passiert ist. Und dann stellt sich heraus, dass es den Scheinoperierten sogar besser geht als den Operierten! Hmmm … Aber wie kann es denn überhaupt sein, dass etwas, das gar nicht stattgefunden hat, Wirkungen zeigt? Du sagst doch immer: »Von nichts kommt nichts!«
Das ist eine gute Frage! Natürlich kann etwas, das real nicht existiert, auch keine realen Wirkungen in der Welt haben. Aber: Der reale Glaube an die Existenz des nicht Existenten hat sehr wohl reale Wirkungen in der Welt! Denk beispielsweise an den Glauben an »Gott«, der so, wie er von Menschen vorgestellt wurde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht existiert! Trotzdem war und ist der Gottesglaube für viele Menschen höchst real. Er bestimmte die Weise, in der sie dachten und handelten, und hinterließ so tiefe Spuren in der Menschheitsgeschichte.
Du vergleichst den Glauben an Gott also mit dem Glauben an eine Schein-OP?
Warum nicht? Beides zeigt, dass Glaube Wirkungen hat – auch wenn das Geglaubte objektiv unsinnig ist, da es auf einer Fehlinterpretation der Wirklichkeit beruht. Ein anderes Beispiel für dieses Phänomen ist das sogenannte »Siegerhemd«, das Fußballtrainer anziehen, weil sie es zufällig bei einem Spiel trugen, bei dem die eigene Mannschaft einen unerwarteten Sieg errungen hat. Natürlich besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der Kleiderwahl eines Trainers und der Treffsicherheit seiner Stürmer, dennoch kann ein solches »Siegerhemd« die positive Erwartung einer Mannschaft und dadurch auch ihre Siegeschancen steigern.
Ich verstehe. Dennoch gibt es da einen wichtigen Unterschied: Die Folgen des Glaubens an eine »Schein-OP« oder ein »Siegerhemd« sind eindeutig positiv. Das würdest du vom Glauben an »Gott« doch nicht behaupten, oder?
Nun ja, auch der Gottesglaube kann durchaus positive Wirkungen haben! Es gibt viele Menschen, die mithilfe des Glaubens Halt und Orientierung in ihrem Leben finden. Gerade in existenziellen Krisen, etwa wenn ein naher Verwandter oder Freund stirbt, sie selbst im Gefängnis landen oder drogenabhängig sind, wenden sich viele der Religion zu und schaffen es auf diese Weise tatsächlich, ihr Leben besser in den Griff zu bekommen.
Und das, obwohl eigentlich nichts für die Wahrheit ihrer Glaubensüberzeugungen spricht?
Ja. Sogar richtig grober Unsinn, also eine völlig falsche Interpretation der Zusammenhänge in der Welt, kann hilfreich sein, um so etwas wie einen »Sinn« in unserem Leben zu finden. Selbstverständlich wäre es besser, wenn wir einen »sinnvollen Sinn« entwickeln würden, der die realen Zusammenhänge im Universum nicht völlig verzerrt. Aber auch ein »unsinniger Sinn« ist immer noch besser als gar keiner! Denn wer völlig orientierungslos durchs Leben geht und überhaupt nichts sieht, wofür es sich zu leben lohnt, der wird auf Dauer kaum glücklich werden.
Klar, aber woran liegt es denn, dass wir überhaupt nach so etwas wie einem »Sinn« suchen?
Die evolutionsbiologische Antwort auf deine Frage dürftest du mittlerweile kennen.
Ein Vorteil im Kampf ums Überleben? Aber warum sollte es denn Fortpflanzungsvorteile haben, nach dem »Sinn« zu suchen?
Erinnere dich
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