Leibniz war kein Butterkeks
es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Erscheinen von Futter und der Zeit, die sie gebraucht hat, um zum Napf zu gelangen. Das Problem ist jedoch, dass sie normalerweise für das Zurücklegen der Entfernung zum Futternapf nur zwei Sekunden benötigen würde. Also muss sie die restlichen acht Sekunden überbrücken. Was genau sie in diesem Zeitraum tut, ist für den Fresserfolg irrelevant, aber das weiß die Ratte nicht! Und dieses Unwissen erzeugt ein Verhalten, das man mit Fug und Recht als »abergläubisch« bezeichnen kann.
Wieso?
Nehmen wir an, unsere Ratte hat sich bei ihrem ersten erfolgreichen Versuch, die zusätzlichen acht Sekunden zu verbummeln, zufällig zweimal um die eigene Achse gedreht, ist drei Schritte nach hinten und zehn Schritte nach vorne gelaufen. Durch den Fresserfolg bestätigt, wird sie dieses Muster nun wiederholen. So verfestigt sich in ihr der Glaube, dass diese zufälligen Tanzschritte notwendig sind, um das Futter zu erhalten. Gäbe man der Ratte die Gelegenheit, ihre Nachkommen mit in den Raum zu bringen, würde sie diese in ihrem besonderen Tanzstil unterrichten. Auf diese Weise könnten ganze Generationen »abergläubischer Ratten« entstehen, die felsenfest von der Sinnhaftigkeit dieses Tanzes, also von dem ursächlichen Zusammenhang von Tanz und Futterbelohnung, überzeugt sind, obwohl der in Wirklichkeit gar nicht existiert.
Faszinierend! Wenn ich an die Rituale denke, die Menschen zelebrieren, um »Gott«, die »Naturgewalten« oder das »Schicksal« gnädig zu stimmen, scheint mir das bei uns gar nicht so viel anders zu sein …
Stimmt! Auch wir Menschen scheitern oft schon bei der »kleinen Sinnfrage«, da wir Zusammenhänge ähnlich falsch interpretieren wie die »abergläubische Ratte« im Experiment. Allerdings können wir solche Fehler durch systematisches Vorgehen beheben – und genau das ist das Ziel der wissenschaftlichen Forschung.
Gut. Ich finde, dass wir, nachdem wir so ausführlich über die »kleine Sinnfrage« gesprochen haben, jetzt endlich zur »großen Sinnfrage« kommen sollten, meinst du nicht? Warum fragen wir Menschen nicht nur danach, welche Bedeutung diese oder jene Situation für unser Leben hat, sondern vor allem auch, welche Bedeutung das Leben überhaupt hat?
Nun, der Mensch ist ein Lebewesen, das die Zukunft besser gedanklich vorwegnehmen kann als alle anderen uns bekannten Tiere. Und so machen wir uns Gedanken über die Zukunft – auch, weil wir wissen, dass diese Zukunft endlich ist. Wir wissen ja nicht nur um unsere eigene Existenz, sondern auch um die Endlichkeit unserer Existenz . Deshalb fragen wir uns nicht bloß, ob sich dieses oder jenes für unser Leben lohnt , wir fragen grundsätzlicher, wofür es sich überhaupt zu leben lohnt : Steckt hinter dem Ganzen vielleicht ein »verborgener Sinn«, ein geheimnisvoller Zusammenhang, der unserem endlichen Leben eine besondere Bedeutung zuweist? Oder besteht der Sinn des Lebens im Leben selbst und muss deshalb überhaupt nicht von etwas »Höherem« abgeleitet werden? Auf diese Fragen haben Philosophen und Theologen recht unterschiedliche Antworten gegeben.
Gläubige Menschen sind ja davon überzeugt, dass ein sinnvolles Leben nur dann möglich ist, wenn das Leben »an sich« einen Sinn hat. Aber nach unseren Gesprächen denke ich, dass du bestreiten würdest, dass das zutrifft …
Klar! Schon allein deshalb, weil es gar nicht möglich ist, vernünftig über den »Sinn an sich« zu sprechen.
Hier stehen wir vor dem gleichen Problem wie beim »Ding an sich«, oder? So wenig, wie wir wissen können, wie die Dinge losgelöst von unserer Wahrnehmung sind, so wenig können wir etwas über einen Sinn sagen, der losgelöst von unseren Vorstellungen existieren könnte.
Genau! Wir können nicht wissen, ob es ein »Ding an sich« gibt, das im »Universum an sich« einen »Sinn an sich« sieht. Und deshalb sollten wir es mit Wittgenstein halten: Worüber man nicht sprechen kann …
… darüber sollte man schweigen!
Gut aufgepasst! Das hindert uns aber nicht daran, über die »Welt für uns« zu sprechen! Über diese Welt können wir auch vernünftige Aussagen machen …
… indem wir Logik und Empirie berücksichtigen!
So ist es. Und wenn wir dies tun, so stellen wir fest, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts, dafür spricht, dass irgendein »höheres Wesen« mit der »Schöpfung« der Welt oder gar der »Erschaffung« des Menschen irgendein sinnvolles Ziel verknüpft!
Weil die Welt
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