Leibniz war kein Butterkeks
an den Anfang unseres heutigen Gesprächs: Ich hatte gesagt, dass »Sinn« etwas mit »Zusammenhang« zu tun hat.
Ja, wir verstehen den Sinn eines Satzes dann, wenn wir die Worte in einen Zusammenhang bringen können, der für uns, in der Situation, in der wir uns befinden, irgendeine Bedeutung hat.
Richtig. Nun versuchen wir aber nicht nur Worte in ihrem Zusammenhang zu verstehen, sondern sämtliche Erscheinungen, auf die wir in unserem Leben treffen. Wir stellen permanent theoretische Zusammenhänge zwischen Dingen und Ereignissen her und bemühen uns, Wirkungen auf ihre voraussichtlichen Ursachen zurückzuführen, um uns so in der Welt orientieren zu können.
Ah! Ich ahne jetzt, wo der Selektionsvorteil liegen könnte: Je besser man die Zusammenhänge versteht, desto besser kann man sich in der Welt orientieren. Und je besser man sich orientieren kann, desto besser kann man auch die Chancen nutzen, die einem zur Verfügung stehen!
Korrekt! Jedes intelligente, lernfähige Tier steht vor einer »kleinen Sinnfrage«, wenn es mit neuen Reizen oder Erfahrungen konfrontiert wird. Es fragt sich zwar nicht nach der Bedeutung des Lebens als Ganzen , aber sehr wohl nach der Bedeutung , die diese neuen Reize und Erfahrungen für sein Leben haben könnten. Sind sie gefährlich oder harmlos, interessant oder uninteressant? Falls sie interessant sind, also dem Überleben oder dem Fortpflanzungserfolg dienen könnten, muss ein Tier herausfinden, wie es seine Ziele unter den neuen Bedingungen erreichen kann. Dafür muss es mitunter recht komplizierte Zusammenhänge durchschauen.
Und wie machen Tiere das?
Hochentwickelte Tiere gehen da im Grunde nicht viel anders vor als wir: Sie versuchen, durch Versuch und Irrtum, manchmal auch durch gezielte Analyse, Berechnung und Planung, Probleme zu lösen. Lange Zeit haben wir die Intelligenz von Tieren grob unterschätzt, da wir dachten, dass sie allein durch Instinkte bestimmt sind und nur wenig hinzulernen können. Heute wissen wir, dass einige Tiere höchst lernwillig und einfallsreich sind, wenn es darum geht, Probleme zu lösen. Das gilt nicht nur für höhere Säugetiere wie Ratten, Affen oder Delfine, sondern beispielsweise auch für Rabenvögel.
Ja, ich habe schon gehört, dass Raben überaus intelligent sein sollen. Sie erkennen sich sogar im Spiegel, was Katzen zum Beispiel nicht können.
Richtig. Raben haben viele erstaunliche Eigenschaften: Sie planen im Voraus und bauen Werkzeuge, um an Nahrung zu gelangen. Sie verstehen es sogar, die Errungenschaften der menschlichen Zivilisation für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. So haben sie beispielsweise einen Weg gefunden, das lästige Knacken von Nüssen auf elegante Weise zu erledigen: Sie legen die Nüsse einfach auf dicht befahrene Straßen, lassen sie von Autos überrollen und laben sich dann an der freigelegten Frucht.
Clevere Viecher!
Ja, und dabei beachten sie sogar die Ampelschaltung, um gefährlichen Situationen zu entgehen! Das Beispiel zeigt, dass Raben recht komplexe Zusammenhänge durchschauen können. Und eben deshalb sind sie auch in der Lage, der Straße einen neuen, »rabenhaften Sinn« zu geben.
Was meinst du damit?
Während der »Sinn« einer Straße für uns Menschen in ihrer »Mobilitäts-Funktion« liegt (wir können auf ihr reisen), liegt der »Sinn« einer Straße für Raben in ihrer »Nussknacker-Funktion« (sie erlaubt ihnen, ohne besonderen Kraftaufwand an die Nahrung zu kommen).
Okay. Intelligente Tiere wie Raben sind also in der Lage, Zusammenhänge zu durchschauen und den Dingen dadurch einen eigenen Sinn zu geben. Was mich interessieren würde: Unterlaufen ihnen dabei auch solche Fehler, wie sie uns manchmal passieren? Interpretieren sie also Zusammenhänge falsch? Vermuten sie manchmal Zusammenhänge dort, wo gar keine vorhanden sind?
Selbstverständlich! Das zeigt unter anderem das schöne Experiment mit der »abergläubischen Ratte«. Hast du schon mal davon gehört?
Nein, aber das klingt lustig. Erzähl mal!
Also, der Versuchsaufbau ist einfach: Eine Ratte wird in einen Raum gelassen, an dessen Ende ein Futternapf steht. Nach zehn Sekunden fällt das Futter in den Napf, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Ratte erst nach zehn Sekunden am Napf ankommt. Wenn sie früher da ist, bleibt der Napf leer. Was meinst du, was passiert?
Keine Ahnung!
Nun, Ratten sind für praktische Sinnzusammenhänge sehr aufgeschlossen. Nach einigem blinden Ausprobieren begreift die Ratte, dass
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