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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Grundrecht zu respektieren habe. Insofern kann man sagen, dass sich Epikur letztlich doch durchgesetzt hat. Zumindest in den westlichen Gesellschaften ist das »Recht auf individuelles Glück« mittlerweile fest verankert, auch wenn man sich wünschen würde, dass dies in den politischen Entscheidungen stärker berücksichtigt würde.
    Möglicherweise liegt das daran, dass es gar nicht so einfach ist zu bestimmen, was »Streben nach Glückseligkeit« bedeutet. Denn was heißt schon »Glück«? Auf Anhieb wüsste ich nicht, wie man dieses Wort definieren sollte.
    Die schönste und prägnanteste Definition, die ich in der Literatur gefunden habe, stammt von dem amerikanischen Psychotherapeuten Alexander Lowen. Er meinte, Glück sei das »Bewusstsein des Wachsens«.
    Was soll das bedeuten?
    Lowen hat das leider nicht weiter ausgeführt, aber ich meine, dass seine Glücksdefinition etwas sehr Wesentliches verdeutlicht, nämlich, dass »Glück« nichts Statisches ist, sondern etwas sehr Dynamisches.
    Könntest du das mal mit »normalen Worten« erklären?!
    Stell dir vor, dein Leben würde jetzt, in diesem Moment »eingefroren« werden. Du bräuchtest keine Sorgen haben, jemals irgendetwas zu verlieren, das dir wertvoll erscheint. Deine Existenz und die Existenz deiner Liebsten wären rundherum gesichert, aber jeder Tag, den du erleben würdest, wäre eine ewige Wiederkehr des Gleichen, ohne Verluste, ohne Gewinne, ohne jegliches Auf und Ab. Wärst du glücklich in einer solchen Welt ewiger Sicherheiten?
    Na ja, es wäre natürlich schön, wenn man niemanden und nichts mehr verlieren würde, aber eine Welt, in der nichts Neues geschieht, wäre todlangweilig!
    Eben. Eine gesicherte Existenz ist noch lange keine glückliche Existenz.
    Ja, darüber haben wir ja schon gesprochen, als wir uns mit dem »ewigen Leben im Paradies« beschäftigten: Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. Deshalb wären unendlich viele, gleichermaßen gute Tage für uns eine fürchterliche Strafe.
    Richtig. Doch woran liegt das?
    Ich sag immer: No risk, no fun! Wenn es bei einem Spiel überhaupt kein Risiko gibt, zu verlieren, dann macht es auch keinen Spaß, zu gewinnen!
    Genau. Sicherheit ist uns zwar wichtig, da sie unsere Existenzängste beruhigt, doch leider blockiert sie auch intensive Glücksgefühle. Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, sah darin ein Grundproblem der modernen Kultur: Er meinte, der Mensch habe ein »Stück Glücksmöglichkeit« gegen ein »Stück Sicherheit« eingetauscht.
    Hmmm … Ist das vielleicht der Grund dafür, warum so viele Leute es genießen, Achterbahn zu fahren oder mit dem Bungee-Seil in die Tiefe zu stürzen? Erzeugen wir so künstlich Momente der Gefahr, weil wir echte Gefahren im Alltag nur noch selten erleben?
    Ja, so würde ich das sehen. Aus demselben Grund sind bei uns auch Action- und Horrorfilme so außerordentlich beliebt. Wer tagtäglich den gleichen Weg zur Arbeit fährt und dort immer wieder die gleichen Handgriffe erledigt, der kann dieser Einförmigkeit zumindest abends entfliehen, indem er sich vor dem Fernseher oder im Kino mit Filmhelden identifiziert und mit ihnen gegen finstere Ganoven oder noch finsterere Zombies in die Schlacht zieht. Dass Horrorfilme gerade in unseren Breitengraden so boomen, ist zweifellos darauf zurückzuführen, dass das Leben hier weitgehend seinen Schrecken verloren hat. Wer hingegen ohnehin unter katastrophalen Umständen lebt, wird einem Katastrophenfilm nur wenig abgewinnen können.
    Wir suchen also nach einem Kontrastprogramm?
    Offensichtlich. Freud wies in seiner Schrift »Das Unbehagen in der Kultur« darauf hin, dass wir, ich zitiere, »den Kontrast sehr intensiv erleben können, den Zustand nur sehr wenig«. Das kennst du sicher aus eigener Erfahrung: Du arbeitest auf irgendetwas hin, was du unbedingt erreichen willst. Und in dem Moment, in dem dir das endlich gelingt, bist du überglücklich. Doch dann gewöhnst du dich schnell an das, was du erreicht hast, und das Gefühl der Ekstase verschwindet.
    Ja, so war es beispielsweise, als ich meinen Führerschein gemacht habe und mein Auto bekam. Das war in der ersten Zeit ein absolut phantastisches Gefühl! Jetzt finde ich es zwar immer noch schön, die Freiheit zu haben, irgendwo hinzufahren, wenn ich das will. Aber das lässt sich nicht mehr mit dem Glücksgefühl vergleichen, das ich in den ersten Wochen hatte.
    Genau das war es, was Freud meinte, als er schrieb, dass jede

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