Leibniz war kein Butterkeks
dazu, dass sich das reale Verhalten der Menschen ändert. Sie kreisen vielmehr um ihr »ach so böses Selbst«, statt sich darauf zu konzentrieren, was sie an sich und ihrem Verhalten ändern müssten, damit es in Zukunft nicht wieder zu einem ähnlichen Fehlverhalten kommt. Ein typisches Beispiel für ein solches zirkuläres Muster ist ein Alkoholiker, der sich wegen seines Schnapskonsums schuldig fühlt und gleich wieder zur nächsten Flasche greift, um diese leidigen Schuldgefühle wieder loszuwerden.
Und so etwas bleibt uns bei Reuegefühlen erspart?
Ja. Wir können etwas bereuen, auch wenn wir genau wissen, dass wir uns in dem Moment unseres Fehlverhaltens nicht anders verhalten konnten, als wir uns verhalten haben. Dadurch bleibt unser Kopf frei, um herauszufinden, was wir tun könnten, um den erzeugten Schaden wieder zu beheben. Wir können zwar die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können uns selbst ändern und daran arbeiten, in Zukunft klüger, vernünftiger, liebevoller zu sein. Reuegefühle sind wichtige Anstoßgeber für eine solche persönliche Weiterentwicklung, Schuldgefühle hingegen stehen ihr im Wege, denn sie sind Kriegserklärungen an das eigene Selbst.
Wir brauchen also eine Art »inneren Frieden«, um uns optimal weiterentwickeln zu können?
So würde ich das sehen. Schließlich sind Schuldgefühle nicht nur an der Entstehung vieler psychischer Erkrankungen beteiligt, sie hemmen auch unsere Kräfte, Lebenskrisen zu überwinden. Umgekehrt führt die Überwindung von Schuldgefühlen zu einer Freisetzung zuvor verschütteter Kräfte. Ich habe es einmal so formuliert: Wer sich nicht mehr schuldig fühlt, der zu sein , der er ist , kann viel leichter daran arbeiten, der zu werden , der er sein könnte .
Das klingt gut, aber mir ist nicht wirklich klar, worauf du damit hinauswillst …
Albert Einstein hat einmal gesagt, dass die Erkenntnis der ursächlichen Bestimmtheit unseres Denkens und Handelns den großen Vorteil hat, dass sie »in wohltuender Weise das leicht lähmend wirkende Verantwortungsgefühl« abmildert [siehe hierzu S. 162]. In der Tat führen Schuldgefühle und Versagensängste zu einer Lähmung unserer Kräfte. Wir sind deprimiert, weil wir in der Vergangenheit gescheitert sind, und haben Angst, das in Zukunft wieder zu tun. Wenn es uns aber gelingt, uns selbst nicht mehr »gar zu ernst zu nehmen«, wie es Einstein empfahl, dann führt dies dazu, dass sich in uns eine Art »psychische Handbremse« löst und wir angstfreier, unverzagter agieren können. Die Folge davon klingt einigermaßen paradox, aber so habe ich es in den letzten Jahren selbst an mir erlebt: Wenn man nicht mehr stolz auf eigene Leistungen ist, dann kann man viel eher Leistungen erbringen, auf die man stolz sein könnte , wenn man noch stolz sein können wollen müsste!
Haha, das hört sich lustig an! Hmmm … Aber was ich dabei noch immer nicht verstehe: Wie können wir uns denn überhaupt verändern, wenn doch alles von Ursachen bestimmt ist? Besteht da nicht ein totaler Widerspruch? Irgendwie geht mir das nicht in den Kopf!
Ich glaube, dein Problem ist, dass du die ursächliche Bestimmung unseres Denkens und Handelns mit der Idee einer Vorherbestimmung verwechselst! Doch wir Menschen sind keine Automaten, die auf dem Laufband der Zeit das abspulen müssen, was einer vermeintlich vorangegangenen Programmierung entspricht. Würden unsere Gene tatsächlich alles vorherbestimmen, was in unserem Leben passiert, so könnten wir es uns natürlich abschminken, irgendetwas Bedeutsames an uns und unserem Verhalten zu verändern. Doch dem ist nicht so! Nicht ohne Grund tragen wir ein so ressourcenintensives Gehirn mit uns herum! Das Gehirn hat die Aufgabe, neue Erfahrungen zu speichern und diese zur Grundlage von Entscheidungen zu machen, die wir in jedem Moment unseres Daseins treffen müssen. Deshalb sind wir ständig in Bewegung. Wir können gar nicht verhindern, dass wir uns permanent verändern, gleichgültig, ob wir nun an die ursächliche Bestimmung unserer Entscheidungen glauben oder nicht.
Ich werde also nach diesem Gespräch nicht mehr die Gleiche sein, die ich vorher war?
Nein, wir beiden werden nicht mehr die Gleichen sein, da unser Gehirn die Informationen, die es jetzt erhält, nutzt, um künftig möglichst optimale Entscheidungen treffen zu können. Vergiss nicht, dass das Gehirn stets das Beste für uns will! Deshalb ist auch dieser Werbespot mit dem Mann und der Frau im Restaurant so komisch.
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