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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Streitschrift »Common Sense« (»Gesunder Menschenverstand«), die die Unabhängigkeit Amerikas, eine demokratische Verfassung und die Garantie von Menschenrechten auf dem amerikanischen Kontinent forderte, was kurze Zeit später in der von Thomas Jefferson (1743–1826) verfassten »Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten« aufgegriffen wurde.
    Wie Jefferson war auch Paine ein aktiver Unterstützer der Französischen Revolution: Während Jefferson als amerikanischer Diplomat in Paris an der Erarbeitung der französischen »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« (1789) mitwirkte, versuchte Paine mit seiner Schrift »The Rights of Man« (»Die Menschenrechte«) radikal-humanistisches Gedankengut auch außerhalb Frankreichs und den USA populär zu machen – ein Ziel, das erst zwei Jahrhunderte später, am 10. Dezember 1948, mit der Verabschiedung der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« der Vereinten Nationen erreicht wurde.
    Interessanterweise waren sowohl Paine als auch Jefferson scharfe Kritiker der institutionalisierten Religion. Paine, der in seinem Buch »Age of Reason« (»Zeitalter der Vernunft«) schwere Geschütze gegen das Christentum aufgefahren hatte, bekannte freimütig: »Die Welt ist mein Land und Gutes zu tun meine Religion.« Jefferson, der von 1801 bis 1809 als Präsident der USA amtierte, begründete die von ihm vorangetriebene strikte Trennung von Staat und Religion damit, dass die institutionalisierte Religion eine Form der Tyrannei sei, die »der Menschheit schweres Leid zugefügt und der Geschichte über zehn bis zwölf Jahrhunderte so viele Grausamkeiten beschert hat, dass sich eine Beteiligung an der Regierung von selbst verbietet«.
    Freigeistige Anschauungen dieser Art vertraten viele Vorkämpferinnen und Vorkämpfer der Moderne, etwa die mutigen Protagonistinnen der Frauenbewegung, die – wie die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges (1748–1793) mit ihrer »Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin« von 1791 – die ursprünglich nur auf Männer bezogenen Menschenrechte erweiterten. Dabei war die Religionsabstinenz vieler Humanistinnen und Humanisten keineswegs zufällig, denn wer im 18. oder 19. Jahrhundert für Demokratie und Menschenrechte, für individuelle Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichberechtigung eintrat, wusste, dass er mit heftigem Gegenwind vonseiten der etablierten Religionen rechnen musste. Nicht ohne Grund landeten die wichtigsten demokratietheoretischen Schriften, etwa die Darlegungen zur »Volkssouveränität« durch Rousseau (1712–1778) oder zur Gewaltenteilung in Legislative (Gesetzgebung), Judikative (Rechtsprechung) und Exekutive (Regierungsgewalt) durch Montesquieu (1689–1755), kurz nach ihrem Erscheinen auf dem katholischen Index der verbotenen Schriften.
    Auch die Menschenrechte wurden von führenden Theologen lange Zeit als »unzumutbare Anmaßungen« verteufelt, da ihnen die Vorstellung, dass der Mensch (nicht »Gott«) das »Maß aller Dinge« sei, als »Gotteslästerung« erschien. Und so konnte sich der Vatikan erst 1961 (!) zur Anerkennung der Menschenrechte durchringen. Allerdings war diese Trendwende keineswegs mit dem Eingeständnis einer weltanschaulichen Niederlage verbunden. Die Kirche versuchte vielmehr den Anschein zu erwecken, als ob sie schon immer auf der Seite der Emanzipations- und Demokratiebewegung gestanden hätte. Es wurde sogar zur Mode, humanistische Werte als »christliche Werte« zu verkaufen – so, als ob es nie einen Gegensatz zwischen der humanistischen Idee der Selbstbestimmung und der religiösen Doktrin des Glaubensgehorsams gegeben hätte.
    Den katholischen Theologen Hans Küng (*1928) inspirierte diese »humanistische Wende in der Theologie« dazu, das »Projekt Weltethos« auf den Weg zu bringen. Küngs Hoffnung auf eine globale Ethik, die künftige Religionskriege vermeiden soll, beruht darauf, dass angeblich jede Religion das »Humanum«, das »wahrhaft Menschliche«, enthalte. Kern jeder religiösen Moral sei, so Küng, die Forderung, jeden Menschen menschlich zu behandeln, auf Gewalt zu verzichten, solidarische Lebensverhältnisse herzustellen, für Toleranz zu sorgen und eine gute Partnerschaft von Mann und Frau zu ermöglichen. Zweifellos wäre für eine Welt ohne Kriege, ohne Unterdrückung von Minderheiten, viel gewonnen, wenn Küngs Annahmen stimmen würden. Doch sie sind, Mensch sei’s geklagt, viel zu schön, um wahr zu sein!
    Was der Entwicklungspsychologe und

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