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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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bot ihm aus seiner Thermosflasche Tee an. Mr. Pringle hockte sich
auf eine umgekehrte Kiste und betrachtete mit einer Mischung aus Rührung und
Irritation dieses Königreich eines Arbeitslosen: ein Fleckchen Erde, vielleicht
fünf mal fünf Meter groß. «Ich komme fast jeden Tag her, da bin ich meiner Frau
aus dem Weg.» Der Regen schien ihn zu freuen. «Genau, was wir jetzt brauchen.»
Mr. Pringle nieste.
    «Erinnern Sie sich noch an den
Nachmittag, als Sie zu Miss Hurst wollten? Roge Harper hat sie beim erstenmal
auch nicht angetroffen und ist dann noch einmal wiedergekommen. Haben Sie sie
denn auch noch einmal gesehen — auf dem Barbecue vielleicht?» Der Name Hurst
schien bei Clarke eine Art automatischen Reflex auszulösen. Er zog seine
Plastikbrieftasche heraus und holte das Foto hervor.
    «Nein, ich habe sie nicht mehr gesehen.
Roge Harper muß einer der letzten gewesen sein, der mit ihr gesprochen hat.»
Mr. Pringle wußte, daß es jetzt eigentlich seine Pflicht gewesen wäre
nachzuhaken. Aber Mr. Clarkes Bedauern schien so echt, seine Miene so offen,
daß er darauf verzichtete. Seiner Meinung nach sagte der Mann die Wahrheit, es
sei denn, er wäre ein vollendeter Schauspieler, aber das erschien ihm
unwahrscheinlich.
    «Hatte Elizabeth eigentlich
Geschwister?» erkundigte er sich. Er kannte zwar die Antwort, aber es
interessierte ihn zu erfahren, wie weit Mr. Clarke informiert war.
    «Nein, sie war ein Einzelkind. Ihre
Mutter konnte nach ihrer Geburt keine weiteren Kinder mehr bekommen. Mr.
Leonard war sehr enttäuscht, aber er fand sich schließlich damit ab. Es gibt
aber noch irgendwo einen Neffen. Der jüngere Bruder ging nach Kanada, als Mr.
Leonard die Firma übernahm. Es war einmal die Rede davon, daß der Junge
zurückkommen und bei uns eintreten sollte, aber daraus ist nichts geworden.»
    Mr. Pringle spürte, wie ihn das
Jagdfieber packte. «Wäre es möglich, daß der Neffe das Vermögen erbt? Oder
einen Teil davon?» Mr. Clarke sah ihn unsicher an. «Das weiß ich nicht. Da
müssen Sie jemand anders fragen.» Sein Desinteresse ärgerte Mr. Pringle. Der
Mann hatte nicht einmal wissen wollen, warum er gekommen war, und es schien,
als sei es ihm nicht wichtig. Vielleicht nahm er an, daß Mr. Pringle Freude
daran hatte, sich mit ihm über Leonard Hurst zu unterhalten. «Mr. Leonard...
also Mr. Leonard ist immer sehr gut zu mir gewesen...» Mr. Pringle wußte, daß
Clarke ihm jetzt zum zweitenmal die Geschichte seiner Bewährung erzählen würde.
In seiner Erinnerung war jener Tag vor Dünkirchen noch immer so frisch, als sei
es erst gestern gewesen.
    Jetzt, beim zweiten Erzählen, ging er
jedoch näher auf die erste Arbeitsstelle ein, die er nach Kriegsende innegehabt
hatte. Man hatte ihm eine Stelle als Chauffeur angeboten, aber er war der
Arbeit nicht gewachsen gewesen. «Mit Maschinen kann ich umgehen, aber beim
Fahren hat’s gehapert. Doch Mr. Leonard besorgte mir dann eine Stelle in der
Werkstatt, das war sehr nett von ihm.» Mr. Pringle dachte, daß er aber jetzt
doch noch einmal auf das Barbecue zu sprechen kommen mußte.
    «Sie hatten keine Gelegenheit, sich an
der Suche nach Elizabeth zu beteiligen, oder?»
    «Nein. Ich half Kate und meiner Frau.
Sie hatten mich gebeten, auf das Feuer zu achten, während die Kinder mit Mr.
Shaw loszogen.» Mr. Clarke, dachte Mr. Pringle, war ein einfacher,
hilfsbereiter Mann. Würde ein solcher Mann Elizabeth Hurst auch nur ein Haar
krümmen können — ihr, der Tochter seines Idols? Und aus welchem Grund? Um
seinen Job zurückzuerlangen? Das wäre wohl eine höchst merkwürdige Methode.
    «Hat eines der Kinder Elizabeth noch
gesehen?»
    Mr. Clarke sah ihn überrascht an. «Wenn
ja, so haben sie mir jedenfalls nichts davon gesagt.»
    «Würden Sie so freundlich sein, sie zu
fragen, und mich die Antwort wissen lassen? Hier ist meine Karte.» Mr. Clarke
drehte die Karte zwischen den Händen und wiederholte verständnislos: «Sie haben
mir nichts davon gesagt... Aber ich werde sie fragen, um ganz sicherzugehen.»
Zum erstenmal blickte er Mr. Pringle voll ins Gesicht: «Sie wollen es
herausfinden, nicht? Wie es passiert ist —warum sie über die Klippen stürzte?»
    «Ja.»
    «Ihr Vater hätte es auch nicht
hingenommen, das habe ich auch zu meiner Frau gesagt. Der Ausgang der Obduktion
hätte ihn nicht befriedigt. Er hätte der Sache auf den Grund gehen wollen.» Mr.
Pringle wollte ihm antworten, doch ein Niesanfall hinderte ihn. Mr. Clarke
betrachtete ihn mit

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