Leiche in Sicht
zurückbleibt», sagte Matthew. «Ich
habe das Ergebnis der Obduktion in der Zeitung gelesen. Roge muß sehr
verzweifelt gewesen sein, daß er so etwas getan hat. Ich finde es wirklich gut
von euch, daß ihr Maureen besucht habt.» Mavis wartete darauf, daß Mr. Pringle
Matthew von seinen Zweifeln bezüglich des Ergebnisses der Obduktion erzählen
würde, aber er schwieg. «Werdet ihr bei Maureen noch einmal vorbeischauen?»
erkundigte sich Matthew.
«Nein, ich denke nicht», sagte Mr.
Pringle. «Ich glaube nicht, daß wir noch etwas für sie tun können.» Mavis
wollte etwas einwenden, aber Mr. Pringle kam ihr zuvor. «Noch ein Glas Wein,
Mavis?»
«Frag erst mal Matthew. Vielleicht
möchte er noch.»
«Nein, vielen Dank, ich will den
Champagner servieren.»
«Ach, stimmt ja», sagte Mavis. «Willst
du uns nicht endlich verraten, was das für eine Neuigkeit ist?» Mr. Pringle,
der Enids Bemerkung über «Hochzeitsglocken» noch im Ohr hatte, glaubte zu
wissen, was Matthew ihnen nun eröffnen werde, doch er ließ sich nichts
anmerken. «Sollen wir nicht erst noch das Dessert essen? Du hast doch sicher
wieder deinen berühmten ‹Infarkt-Pudding› gemacht, oder?»
«Also wirklich!» Mavis stand auf. «Sie
müssen wissen, Matthew, daß Ihr Onkel es bisweilen liebt, sich sehr drastisch
auszudrücken. Im Laufe der Jahre hat er sämtliche Festtagsgerichte von mir mit
den scheußlichsten Namen belegt. Und ich weiß wirklich nicht, warum. Der
Pudding heute besteht aus lauter guten Sachen: Kastanienpüree, Sherry und
Sahne, aber jedesmal, wenn ich ihn auf den Tisch bringe, behauptet er, ich
würde ihn noch umbringen.» In gespielter Empörung rauschte sie hinaus.
«Ich glaube nicht, daß der Genuß des
Puddings bleibende Schäden bei dir hinterlassen wird», bemerkte Mr. Pringle mit
sanftem Spott, «aber Mavis verteilt immer so reichliche Portionen, daß du
vermutlich die halbe Nacht Bauchschmerzen haben wirst.»
Nach dem Pudding, Mavis befand sich in
einem Zustand schläfriger Zufriedenheit, schlug Mr. Pringle vor, Kaffee und
Cognac zu servieren. Sofort sprang sie auf, damit er es sich nicht noch anders
überlegte. Während sie sich draußen in der Küche aneinander vorbeiquetschten,
sie auf der Suche nach dem Cognac, er damit beschäftigt, den Wasserkessel
aufzusetzen, flüsterte er ihr zu, daß ihm Matthew in den letzten Minuten etwas
niedergeschlagen erschienen sei. Wahrscheinlich sei das seine Schuld, gab er
zu, aber ob sie nicht etwas tun könne, um ihn wieder aufzumuntern.
Das war genau die Art von
Herausforderung, die Mavis genoß, und es war keine leere Prahlerei, wenn sie
behauptete, durch ihre Anekdoten auch noch dem Mürrischsten ein Lächeln aufs
Gesicht zaubern zu können. Dies war übrigens einer der Gründe, warum sie bei
den Gästen im Bricklayer so behebt war, obwohl es jüngere und hübschere
Kellnerinnen gab.
Kaum saßen sie wieder gemütlich
beisammen — sie waren ins Wohnzimmer umgezogen —, begann Mavis, die
haarsträubendsten Geschichten von ihrem verstorbenen Ehemann zu erzählen. Als
sie bei Herberts Tod angelangt war und schilderte, wie sie, da sie seine
Familie nie hatte ausstehen können, seine sämtlichen ehemaligen Geliebten zum
Beerdigungsgottesdienst eingeladen hatte, wischten sich Matthew und Mr. Pringle
vor Lachen die Tränen aus den Augen.
«Ach, mir tut schon alles weh vor
Lachen», rief Matthew. «Wie schade, daß Charlotte nicht hier ist! Sie hätten
ihr bestimmt gutgetan, Mavis!»
«Du sagtest, sie sei irgendwo zu
Besuch?» erkundigte sich Mr. Pringle.
«Ja, bei ihrer Patentante. Ihr Vater
hat sie für ein paar Tage weggeschickt. Es gab da wohl bei der polizeilichen
Vernehmung gestern ein Problem.»
«Wieso?»
«Es handelt sich nur um eine unwichtige
Kleinigkeit, aber Char war ganz außer sich. Die Polizei hat gestern auch noch
Patrick und John befragt. Und hinterher sagten sie Char, daß zwischen ihrer
Aussage und der von Patrick und John ein Widerspruch bestünde.»
«Ein Widerspruch?»
«Ja. Es geht um die genaue Zeitspanne
zwischen dem Moment, wo Char Gill stehengelassen hat, und dem Zeitpunkt, an dem
sie wieder bei uns auf der Lichtung auftauchte. Char hat geschätzt, daß es
ungefähr zehn Minuten hätten sein müssen, aber die Polizei denkt aufgrund der
Aussagen von Patrick und John, daß es eher eine Dreiviertelstunde war.»
Mr. Pringle blickte nachdenklich vor
sich hin. «Und was meint ihr — du und Emma?» Matthew zuckte mit den Achseln.
«Daß es
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