Leiche - oben ohne
zu
trinken«, zischte Lucia.
»Dann nehmen Sie sich doch
was«, zischte ich zurück.
»Okay, wir mixen unsere
Drinks«, meinte die rötliche Blondine und lächelte süß, »und Sie kochen sich
Ihr Essen.«
Ich weiß, wann ich den kürzeren
gezogen habe. »Was trinkt ihr?« fragte ich eilig.
»Wodka-Martinis, im
Wohnzimmer.«
Sie saßen auf der Couch, als
ich mit den Drinks hereinkam, und sobald eine von ihnen auch nur mit der Wimper
zuckte, ächzte die Couch und gab Geräusche von sich wie eine verstimmte
Baßgitarre. Als ich mich ihnen gegenüber in einen Sessel sinken ließ, winselte
er protestierend. Dann senkte sich unangenehme Stille über den Raum, während
wir an den Gläsern nippten und uns anödeten.
»So soll das zwei Wochen lang
gehen?« sagte Lucia dumpf. »In zwei Tagen bin ich schon reif für die
Klapsmühle.«
»Wir haben ja noch den Strand«,
meinte Roberta Carrol aufmunternd. »Wir können schwimmen und sonnenbaden
und...«
»Da habe ich auch was von!«
Lucia wurde wütend. »Onkel Jerome hat mich nicht mal bei Carl anrufen und ihm
Bescheid sagen lassen. Wenn er mich nun zwei Wochen lang nicht erreichen kann,
muß er ja denken, ich will nichts mehr von ihm wissen.« Ein klagender Unterton
kam in ihre Litanei. »Und wenn ich wieder unter Menschen darf, ist er
wahrscheinlich überhaupt nicht mehr in New York.«
»Carl?« forschte ich.
»Ihr Freund«, erklärte Roberta.
»So etwas soll’s ja geben, heutzutage.«
»Ich dachte nur, es ist
vielleicht noch ein Onkel«, brummte ich.
Lucia stand auf, bedachte mich
mit einem Märtyrerblick aus tragischen dunklen Augen und stelzte hinaus. Ein
paar Sekunden später fiel die Schlafzimmertür so heftig ins Schloß, daß ein
vergilbtes Bild von der Wand hinter der Couch herunterfiel. Ich starrte den
helleren Fleck an und erkannte, daß Lucia nicht ganz unrecht gehabt hatte: Zwei
Wochen in diesem Loch, und wir verloren alle drei den Verstand. Dann klingelte
das Telefon, und ich wäre fast an die Decke gefahren. Aber als ich schließlich
abhob, war es nur die freundliche Witwe, die sich erkundigte, ob wir wohlbehalten
angekommen seien. Ich sagte ihr, nachdem wir einige Rollen Heftpflaster rings
um die Außenwände geklebt hätten, sei alles so ziemlich in Butter. Wenn alles
gut gehe, würde die Bude wohl noch zwei Wochen stehenbleiben.
Sie hängte ziemlich plötzlich
wieder ein.
»An einem Übermaß von Takt
leiden Sie nicht gerade«, meinte Roberta.
»Soll ich zu so einer alten
Hexe vielleicht auch noch zuvorkommend sein?«
»Ich sprach von Lucia.«
»Ich habe genug eigene Sorgen,
und sie rühren allesamt daher, daß sie im falschen Augenblick ins falsche
Apartment gegangen ist«, schimpfte ich. »Übrigens, wie kommen eigentlich Sie zu
Ihrer Rolle in diesem Horrorfilm?«
»Mit ein bißchen Glück, glaube
ich.« Ihre ausgesprochen sinnliche Unterlippe schob sich noch ein Stückchen
weiter vor. »Oder vielleicht denkt Onkel Jerome, ich eigne mich am besten für
den Job — weil ich doch gewissermaßen Joe Slaters Witwe bin.«
Ich gaffte sie an. »Was heißt
gewissermaßen?«
»Wir wurden vor einem halben
Jahr geschieden«, sagte sie. »Ich weiß allerdings nicht mehr, wie lange wir
eigentlich verheiratet waren, weil ich mir nie die Mühe gemacht habe, die Tage
zu zählen.«
»Für eine frischgebackene Witwe
hätte ich Sie bestimmt nicht gehalten«, sagte ich. »Das kommt wohl daher, daß
Sie Ihren Schmerz so gut verbergen?«
»Joe Slater war ein Strolch«,
sagte sie schlicht. »Es wundert mich, daß er überhaupt so lange gelebt hat.«
»Und glauben Sie, daß sein
Mörder es wirklich auf Lucia abgesehen hatte?«
»So hat Jerome es mir
geschildert.« Ihre Stimme klang überaus sachlich. »Ich streite nie mit Jerome.«
»Sie haben von Lansing
erfahren, daß Slater tot ist?«
Sie nickte. »Er rief mich zu
Hause an und erzählte mir, was passiert war und daß Lucia die Stadt für
vierzehn Tage verlassen müsse. Dann fragte er mich, ob ich ihr Gesellschaft
leisten wollte. Nicht nur Lucias Sicherheit wegen, sondern auch wegen meiner
eigenen. Es würde mir gewiß viel Aufregung und Ärger ersparen, wenn ich einfach
nicht da wäre, sobald die Nachricht vom Ableben meines Exgatten bekannt würde.«
»Da hat er wohl auch recht«,
sagte ich. »Erzählen Sie mir von Joe Slater.«
»Was gibt’s da zu erzählen?«
Sie zuckte abschätzend die Schultern. »Ich bin nie dahintergekommen, weshalb er
mich geheiratet hat — vielleicht deshalb, weil man
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