Leiche - oben ohne
Unterlippe ragte herausfordernd vor, und ich mußte mich
beherrschen, daß ich nicht nach hinten sprang und hineinbiß. Eine überaus
beachtliche Oberweite spannte die seidene weiße Bluse, enge schwarze Hosen
schmiegten sich an lange Beine, die unten bestechend schlank und oben
wohlgerundet waren, wie sich’s gehört. Instinktiv drehte ich meinen Kopf ein
wenig, damit sie mein linkes Profil bewundern konnte; das ist nämlich um eine
Kleinigkeit besser als das rechte.
»Man unterscheidet zwei
Geschlechter«, sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme. »Ich gehöre zum anderen,
bin also eine Frau.«
»Ich hätte Sie glatt für eine
Tigerin gehalten«, erklärte ich.
»Mit Krallen!« Sie hob eine
Hand, damit ich die langen, purpurroten Fingernägel sah.
»Und vergessen Sie das ja
nicht«, zischte Lucia. »Ich weiß aus Erfahrung, was Sie für einer sind, Danny
Boyd. Einer, der heimlich Mädchenbeine betastet!«
»Ich hab’ nicht...«, hub ich
an, aber dann sagte ich mir, meine Geschichte von der Dame ohne Unterleib würde
sie ohnehin nicht glauben, und schwieg.
»Warum halten Sie hier?« fragte
sie.
»Wenn wir uns ein Sommerhaus
mieten, sind wir ungleich sicherer als in einem Hotel«, erklärte ich.
»All right«, meinte sie
achselzuckend. »Also mieten Sie schon.«
Die Vermieterin war eine Witwe
mit einem rasiermesserschmalen Schlitz an der Stelle der Lippen. Sie belehrte
mich herablassend, daß man Häuser für den ganzen Sommer zu mieten pflegte — und
nicht hereingeschneit kam und von zwei Wochen redete, wenn der Sommer schon halb
vorüber war. Ungefähr fünf Minuten dauerte dieser Vortrag, und ich wollte sie
gerade aus dem Fenster werfen, da fiel ihr schließlich doch ein, daß sie noch
etwas Passendes hatte — und was ich doch für ein Glückspilz war. Es war ein
Haus, das jemand für den Sommer gemietet hatte, vor zwei Tagen aber hatte er
plötzlich abreisen müssen, wegen irgendeiner Familienangelegenheit. Es war ein
ganz ungewöhnlicher Fall — aber für dreihundert Dollar, bei zweihundert Dollar
Kaution, konnte ich es haben. Sie bekam das Geld, ich die Schlüssel, und dann
verschwand ich wie ein geölter Blitz aus ihrem Büro.
Die beiden Mädchen beäugten
mich mißtrauisch, als ich wieder in den Wagen stieg und ihnen die Schlüssel
zeigte. Dann sahen sie sich an und führten so eine bestimmte Art von stummer
Zwiesprache, wie es eben nur Frauen können.
»Ich traue ihm in einem Haus
nicht über den Weg«, verkündete Lucia schließlich laut. »Man kann nicht mal
nach dem Zimmerkellner schreien, wenn er einen überfällt.«
»Mach dir keine Gedanken,
Liebste«, sagte die Blondine lässig. »Wenn er so was versucht, hacke ich ihm
mit dem Beil die Hände ab.«
Mindestens zwei Wochen allein
in einem Haus mit so zwei Geschöpfen, dachte ich bekümmert, während ich den
Motor anließ. Auf den ersten Blick sah das aus wie ein Wirklichkeit gewordener
Junggesellentraum, aber nun schien mir die Aussicht etwa so erfreulich wie die
auf ein Wochenende im nächsten Kloster. Einen flüchtigen Augenblick lang mußte
ich an die steinernen Schluchten Manhattans und das grüne Gras im Central Park
denken — und ich begriff, was Exil eigentlich heißt. Wenn ich jemals
zurückkehrte, dann erwartete mich ein gewisser Sergeant Michaels;
wahrscheinlich, um mich wegen Mordes, Entführung einer Zeugin, Widerstand gegen
die Staatsgewalt und einiger kleiner Vergehen, wie Brandstiftung, Betrug und
versuchter Notzucht, zu verhaften. Immerhin gab es, so überlegte ich mir
finster, ja stets noch einen Ausweg — ich konnte mich schlicht aufhängen.
4
Das Haus thronte auf einer
Klippe über der Bucht. Von außen sah es müde und von innen recht mitgenommen
aus — mit dieser Art von Stühlen, die immer knarren, wenn man sich setzt. Ich
trug die Koffer hinein, dann das Gemüse und die Getränke, während die Mädchen
das Domizil inspizierten. Als ich meine Gepäckträgerdienste verrichtet hatte,
ging ich in die Küche und mixte mir einen Drink. Zwei Minuten später gesellten
sich die beiden zu mir und starrten mich an, als sei ich der brutalste
Frauenmörder des Jahrhunderts.
»Dieses Haus ist eine
Bruchbude«, sagte Lucia vorwurfsvoll.
»Stimmt«, gab ich zu.
»Wir haben das große
Schlafzimmer belegt«, verkündete Roberta Carrol. »Es hat ein Doppelbett.« Ihre
Lippen kräuselten sich in einem gehässigen Lächeln. »Ich denke, Lucia wird
besser schlafen, wenn ich bei ihr bin.«
»Ich möchte auch was
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