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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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sein, als er |304| angerufen hatte, denn zwanzig Minuten später war er gemeinsam mit Jacobsen da. Sie wirkte so ungerührt und unnahbar wie üblich.
     Die Arbeit bis spät in die Nacht hatte keine Spuren bei ihr hinterlassen, ganz im Gegenteil zu Gardner. Der Agent sah völlig
     erschöpft aus, seine Gesichtshaut war ein Netz aus Falten und Furchen. Ich erinnerte mich daran, dass nicht nur der Druck
     der Suche nach York auf ihm lastete. Auch er war mit Tom befreundet gewesen.
    Doch als er zu meinem Tisch kam, hielt er sich so gerade wie immer. Jacobsen war nur einen Schritt hinter ihm.
    «Kann ich Sie auf einen Kaffee einladen?», fragte ich, als sie Platz nahmen.
    Beide lehnten ab. Gardner warf einen Blick durch den Saal, um sich zu vergewissern, dass uns niemand hören konnte.
    «Um zwanzig Uhr fünfundvierzig haben die Überwachungskameras jemanden an Ihrem Wagen aufgezeichnet», sagte er ohne Vorrede.
     «Die Entfernung war zu groß, um Einzelheiten erkennen zu können, aber die Person trug wie die an dem Münztelefon dunkle Kleidung
     und eine Schirmmütze. Außerdem haben wir den Sicherheitsdienst der Klinik überprüft. Der Mann, den Sie auf dem Parkplatz gesehen
     haben, gehört nicht zum Personal.»
    «York.» Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund, der nichts mit dem Kaffee zu tun hatte.
    «Vor Gericht können wir das nicht beweisen, aber wir glauben das auch. Wir versuchen noch, die Fingerabdrücke auf Ihrem Mietwagen
     zu identifizieren, aber es sind so viele, dass es dauert. Und wahrscheinlich trug York sowieso Handschuhe.» Gardner zuckte
     mit den Achseln. «Mit der abgeworfenen Haut hatten wir auch kein Glück. Die Fingerabdrücke stimmen weder mit denen von Willis
     Dexter noch mit denen von Noah Harper überein. Der kleinen |305| Handgröße nach zu urteilen, könnte sie von einer Frau oder einem Jugendlichen stammen, aber mehr können wir nicht sagen.»
    Ein Jugendlicher. Mein Gott.
Auf meinem Kaffee schwamm flockig gewordene Milch. Ich schob die Tasse weg. «Was ist mit den Fotografien, die Sie in Yorks
     Haus gefunden haben? Wissen Sie schon, wer die Leute darauf sind?»
    Gardner schaute hinab auf seine Hände. «Wir vergleichen sie mit den Vermisstenfällen und ungelösten Morden, aber das ist eine
     langwierige Arbeit. Außerdem wird es sowieso schwer werden, anhand der Fotos eine Übereinstimmung zu finden.»
    Wenn ich an die verzerrten Gesichter dachte, konnte ich es mir vorstellen. «Gibt es Hinweise, wo York sein könnte?»
    «Seitdem wir eine Pressemeldung rausgegeben haben, wollen ihn ein paar Leute gesehen haben, aber eine eindeutige Spur gibt
     es nicht», antwortete Gardner. «Offenbar hat er irgendwo ein Versteck. Es sieht nicht so aus, als hätte er seine Opfer in
     seinem Haus oder in Steeple Hill getötet, er muss sie also an einen anderen Ort verschleppt haben. Irgendwo, wo er die Leichen
     bequem loswerden kann, sonst hätten wir außer Loomis und Harper noch weitere gefunden.»
    Mit den Smoky Mountains vor seiner Tür fiel es ihm bestimmt nicht schwer, die Leichen seiner Opfer verschwinden zu lassen.
     «Laut Josh Talbot kann die Sumpflibellennymphe nur auf Harpers Leiche gelangt sein, wenn sie in der Nähe eines Teiches oder
     eines langsam fließenden Gewässers gelegen hat.»
    «Also müssen wir fast den gesamten Osten Tennessees absuchen.» Gardner machte eine gereizte Handbewegung. «Wir haben bereits
     einige Orte überprüft, an denen Sumpflibellen nachgewiesen worden sind, aber um eine richtige Suche |306| zu starten, brauchen wir mehr. Diane, erzählen Sie doch Dr.   Hunter, was Sie herausgefunden haben.»
    Jacobsen versuchte, es zu verbergen, aber sie wirkte jetzt deutlich angespannt. Ich konnte den Puls an ihrem Hals pochen sehen,
     der im Takt ihrer Aufregung schlug. Als sie zu sprechen begann, wandte ich meinen Blick davon ab.
    «Ich habe mir noch einmal die Fotografien angesehen, die wir in Yorks Haus gefunden haben», begann sie. «Sie wurden anscheinend
     aufgenommen, als die Opfer dem Tod sehr nahe waren, vielleicht sogar genau im Augenblick des Todes. Bisher hatte ich sie nur
     für Yorks Trophäen gehalten. Aber wenn er zeigen wollte, wie er sie erdrosselt hat, hätte auch einmal der Hals eines Opfers
     im Bildausschnitt sein müssen. Das ist auf keinem Bild zu sehen. Und wenn York seine Morde noch einmal nacherleben wollte,
     warum hat er die Taten dann nicht einfach auf Video aufgenommen? Warum hat er solche extremen Nahaufnahmen der Gesichter

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