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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Aufwand nicht rechtfertigen, wenn wir Sie einfach aus der Gefahrenzone bringen könnten, indem wir Sie nach Hause
     schicken. Nicht ohne einen guten Grund. Aber es ist Ihre Entscheidung. Niemand wird Sie unter Druck setzen.»
    Die Erleichterung, die ich kurz gespürt hatte, war verflogen. Gardner irrte sich: Ich hatte keine Wahl. Wenn ich abreisen
     würde, würde York sich einfach ein anderes Opfer suchen.
    |312| Das durfte ich nicht zulassen.
    «Was muss ich tun?»
    Mit einem Mal schien sich die Anspannung aufzulösen. Gardner schien zufrieden mit sich zu sein, aber Jacobsens Miene war schwerer
     zu lesen. Für einen Augenblick meinte ich, einen Anflug von schlechtem Gewissen in ihrem Blick erkannt zu haben, es war jedoch
     so schnell vorbei, dass ich mich getäuscht haben konnte.
    «Im Moment nichts. Machen Sie einfach so weiter wie bisher», sagte Gardner. «Wenn York Sie beobachtet, soll er nicht das Gefühl
     haben, dass etwas nicht stimmt. Da er natürlich von uns erwarten wird, dass wir ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen, werden
     wir ihn nicht enttäuschen. Wir werden ein Team vor dem Leichenschauhaus und eines vor Ihrem Hotel postieren, beide wird er
     bemerken. Es wird aber auch eine verdeckte Überwachung geben, die er nicht bemerken wird. Sie auch nicht.»
    Ich nickte, als wäre das alles völlig normal. «Was ist mit meinem Wagen?»
    «Damit sind wir fertig. Es wird ihn jemand hierher zum Hotel fahren. Er hinterlegt den Schlüssel an der Rezeption. Wir arbeiten
     noch an den Einzelheiten, aber ab morgen werden wir Sie allein durch die Gegend fahren lassen. Sie werden ein Tourist sein
     und am Fluss oder auf Wanderwegen spazieren gehen, wo Sie ein verlockendes Ziel abgeben. Wir wollen York eine Gelegenheit
     bieten, die er nicht außer Acht lassen kann.»
    «Wird er nicht ahnen, dass es eine Falle ist, wenn ich plötzlich allein durch die Gegend laufe?»
    Er schaute mich müde an. «Meinen Sie, so wie gestern Nacht?»
    Es dauerte einen Augenblick, ehe ich verstand. Mir war |313| nicht aufgefallen, dass ich beobachtet worden war, als ich entgegen seinen Anweisungen das Hotel verlassen hatte, aber ich
     hätte wohl damit rechnen müssen.
So viel zu deinem
gestrigen Bravourstück.
    «Am Anfang schöpft York vielleicht Verdacht, aber wir haben Geduld», fuhr Gardner ungerührt fort. «Er muss nur aus seinem
     Versteck kommen und sich zeigen, dann werden wir zugreifen.»
    So wie er es sagte, klang es wie ein Kinderspiel. Ich hatte unbewusst mit dem Daumen über die Narbe an meiner Hand gerieben.
     Als ich merkte, dass Jacobsen mich beobachtete, hörte ich damit auf und legte meine Hände flach auf den Tisch.
    «Sie werden dabei mit uns zusammenarbeiten müssen, Dr.   Hunter», sagte Gardner. «Aber wenn es Ihnen lieber ist, können Sie auch heute Nachmittag einen Flug zurück nach Hause nehmen.
     Noch können Sie Ihre Meinung ändern.»
    Nein, kann ich nicht
. Ich spürte Jacobsens Blick, als ich meinen Stuhl zurückschob und aufstand.
    «Wenn das alles ist, dann würde ich jetzt gerne ins Leichenschauhaus fahren.»
     
    Für den Rest des Tages war ich in einer seltsamen, unruhigen Stimmung. Die Ereignisse überrannten mich. Toms Tod, die Erkenntnis,
     dass ich der Nächste auf Yorks Liste war, und die Aussicht, wie ein Opferlamm vorgeführt zu werden, all das war nur schwer
     zu verkraften. Jedes Mal, wenn ich glaubte, mich an eine Sache gewöhnt zu haben, erinnerte ich mich an eine andere und wurde
     wieder emotional überwältigt.
    Dazu kam, dass ich im Leichenschauhaus eigentlich nichts Wichtiges zu tun hatte. Da die anspruchsvolleren Arbeiten |314| bereits erledigt waren, konnte ich mich nur damit beschäftigen, die aus dem Wald geborgenen Skelettteile von Willis Dexter
     zu sortieren und zusammenzustellen. Aber das war reine Routine und dauerte nicht lange. Die meisten Knochen waren von Aasfressern
     weggeschleppt worden, und die paar, die man gefunden hatte, waren so stark angeknabbert, dass die schwerste Aufgabe darin
     bestand, herauszufinden, um welche Knochen es sich im Einzelnen handelte.
    Das reichte jedoch nicht, um mich abzulenken und aus meinen verstörenden Gedanken zu reißen. Außerdem war niemand dort, mit
     dem ich sprechen konnte. Summer war an diesem Morgen nicht gekommen, aber damit hatte ich nach Toms Tod auch nicht gerechnet.
     Es hätte sowieso kaum etwas für sie zu tun gegeben. Obwohl ich mich über Gesellschaft gefreut hätte, war ich auf eine etwas
     feige Art erleichtert,

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