Leichenblässe
Pistolen auf York
gerichtet.
Gott sei Dank
.
«Lassen Sie das Messer fallen!
Sofort!
», wiederholte Gardner.
York drehte sich zu ihnen um. Er hatte keuchend den Mund aufgerissen. Einen Augenblick dachte ich, er würde gehorchen und
die Sache könnte an dieser Stelle enden.
Dann taumelte er mit einem wirren Schrei auf Jacobsen zu.
«Stehen bleiben!», brüllte Gardner.
York schrie etwas Unverständliches und taumelte unbeirrt weiter. Jacobsen schien erstarrt zu sein. Mit blassem Gesicht schaute
sie zu, wie er mit dem Messer immer näher kam, rührte sich aber nicht von der Stelle.
Dann knallte es zweimal laut.
In dem gekachelten Raum waren die Schüsse ohrenbetäubend. York schien zu stolpern. Er strauchelte zur Seite und stürzte in
den großen Wandspiegel, der sofort zersprang. York taumelte zurück, brach über einem Trinkbrunnen zusammen und riss ihn in
einer Lawine aus Putz und Scherben zu Boden.
Langsam verebbten die Echos der Schüsse und des splitternden Glases.
In meinen Ohren klingelte es schmerzvoll. Ein blauer, nach Kordit riechender Nebel hing in der Luft, der für einen Moment
sogar den Gestank der Verwesung übertünchte. York bewegte sich nicht mehr. Gardner hatte seine Waffe noch immer auf ihn gerichtet,
als er loslief und ihm gegen die Hand trat, um das Messer wegzuschleudern. Dann kniete er sich schnell hin und legte zwei
Finger auf Yorks Hals, um seinen Puls zu fühlen.
|381| Ohne Eile stand er auf und steckte die Pistole zurück in sein Gürtelholster.
Jacobsen hielt ihre Waffe noch immer ausgestreckt, doch jetzt war sie auf den Boden gerichtet.
«Es … es tut mir leid», stammelte sie, während ihre Wangen wieder Farbe bekamen. «Ich konnte nicht …»
«Jetzt nicht», sagte Gardner.
Aus dem Behandlungszimmer war ein Schluchzen zu hören. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Paul Sam beim Aufsetzen half und
versuchte, sie zu beruhigen. Sie hustete und rang röchelnd nach Atem. Er hatte den Riemen der Schlinge durchtrennt, doch der
hatte sich so stark in ihren Hals geschnitten, dass ein bläulich roter Strich zurückgeblieben war, der wie eine Verbrennung
aussah.
«O G-Gott , ich dachte … Ich d-dachte …»
«Schh, alles in Ordnung, du bist in Sicherheit, er kann dir nichts mehr tun.»
«Ich k-konnte ihn nicht aufhalten. Ich habe ihm gesagt, dass ich sch-schwanger bin, und da hat er gesagt … er hat gesagt, das wäre gut, er wollte warten, bis … bis … O Gott.»
Sie wurde von Krämpfen geschüttelt und krümmte sich zusammen. «Ist alles in Ordnung mit ihr?», fragte Gardner.
«Die Wehen setzen ein», sagte ich. «Sie müssen einen Krankenwagen …»
«Ist schon unterwegs. Wir waren gerade auf dem Rückweg nach Knoxville, als ich Ihre Nachricht bekommen habe. Ich habe sofort
Verstärkung und Sanitäter angefordert. Himmel, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?»
Aber ich hatte keine Zeit, auf Gardners Entrüstung einzugehen oder zu fragen, wie sie es geschafft hatten, uns nach meiner
wirren Wegbeschreibung so schnell zu finden. Ich ging zu Sam, deren Gesicht schmerzverzerrt war.
|382| «Sam, ein Krankenwagen ist unterwegs. Wir werden dich in eine Klinik bringen, aber ich muss wissen, ob du, abgesehen vom Hals,
noch andere Wunden oder Verletzungen hast.»
«N-nein, ich-ich glaube nicht. Er hat mich nur hier auf den Tisch gebunden und dann allein gelassen. O mein Gott, all die
Leichen da draußen, all die Toten …»
«Denk jetzt nicht daran. Kannst du mir sagen, wann die Wehen eingesetzt haben?»
Sie schnappte nach Luft und versuchte sich zu konzentrieren. «Ich weiß nicht … im Krankenwagen, glaube ich. Ich dachte, es müsste ein Irrtum sein, als er vor der Tür stand. Er sagte, ich soll Paul anrufen,
aber als ich mich umgedreht habe, hat er … Da hat er mir einen Arm um den Hals gelegt und … und zugedrückt.»
Sie beschrieb einen Würgegriff. Richtig angewendet konnte er innerhalb von Sekunden Bewusstlosigkeit ohne Nachwirkungen verursachen.
Wenn zu viel Kraft angewendet wurde, konnte er genauso leicht tödlich sein.
Aber das wäre York wohl auch egal gewesen.
«Ich habe keine Luft bekommen», fuhr Sam schluchzend fort. «Mir wurde schwarz vor Augen, und dann bin ich im Krankenwagen
mit diesen Schmerzen aufgewacht. O Gott, es tut so weh. Ich werde mein Baby verlieren, nicht wahr?»
«Du wirst dein Baby nicht verlieren», entgegnete ich zuversichtlicher, als ich war. «Wir werden
Weitere Kostenlose Bücher