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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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in der Küche Fliegenfänger von der Decke
     hingen, die mit unzähligen toten Insekten übersät waren. York hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie abzunehmen, sondern einfach
     neue aufgehängt, bis kaum noch Platz übrig blieb.
    Paul ging zum Herd, neben dem ein Messer mit langer Klinge lag. Als er es nahm, reichte er mir wortlos den Stock, den er die
     ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Er fühlte sich brüchig und morsch an, aber ich nahm ihn trotzdem.
    Zwei Türen führten von der Küche ab. Paul versuchte, die erste zu öffnen, aber sie hatte sich im Rahmen verzogen. Als er sich
     mit der Schulter dagegenwarf, gab sie mit einem Krachen nach. Er stolperte hindurch und stieß mit einem blassen Gegenstand
     zusammen, der von der Decke hing.
    «Mein Gott!»
    Er taumelte zurück. Aber es war nur ein Schweinekadaver, der in zwei Hälften geteilt war und an den Hinterbeinen von einem
     Fleischerhaken hing. Es war ein altmodischer Kühlraum, der jedoch, wie der ranzige Gestank und die umherschwirrenden Fliegen
     bewiesen, nicht kühl genug war. Auf den Regalen lagen verpackte Fleischstücke, und auf einem blutverschmierten Tablett thronte
     wie eine Opfergabe ein Schweinekopf.
    |372|
Schweinezähne und Schweineblut
. York verschwendete offenbar ungern etwas.
    Paul starrte einen Moment schwer atmend auf den Kadaver und ging dann zu der anderen Tür. Sie ließ sich leicht öffnen, und
     ich atmete erleichtert aus, als ich sah, dass dahinter nur eine schmale Treppe war, die hinab in die Finsternis führte.
    Dann sah ich neben dem Treppenabsatz den Rollstuhl stehen.
    Er war abgenutzt und verbeult, und im düsteren Licht konnte ich auf dem Sitz dunkle Flecken erkennen. Ich erinnerte mich an
     die Blutspuren im Krankenwagen, von denen mir Jacobsen erzählt hatte, und warf Paul einen besorgten Blick zu. Doch er hatte
     die Flecken bereits bemerkt.
    Drei Stufen auf einmal nehmend, stürmte er los.
    Ich folgte ihm die wackelige Treppe hinab, die quietschte und schwankte und auf einen dunklen, schmalen Gang führte. Schmale
     Lichtstrahlen fielen durch die mit Brettern vernagelten Fenster und Verandatüren. Es waren dieselben, die Paul vorhin von
     außen hatte öffnen wollen, wurde mir klar. Das Sanatorium war am Hang gebaut worden, und jetzt befanden wir uns im Untergeschoss.
     Der Verwesungsgeruch war hier unten stärker, stärker sogar als draußen. Aber der Gang war leer, abgesehen von einer einzelnen
     Tür am anderen Ende.
    Ein Messingschild daran trug die Aufschrift
Bäderbereich
.
    Paul lief bereits darauf zu, als plötzlich ein Geräusch die Stille durchschnitt. Es war, als würde Luft durch ein Ventil entweichen;
     ein hohes Stöhnen, das nicht von einem Menschen zu stammen schien und doch wie ein Schmerzensschrei klang. Es brach so schnell
     ab, wie es begonnen hatte, aber es gab keinen Zweifel darüber, woher es gekommen war.
    |373| Aus dem Bäderbereich.
    «SAM!», rief Paul und stürmte auf die Tür zu.
    Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihn nicht zurückhalten können. Ich umklammerte das Holzstück so fest, dass mir die
     Hand wehtat, und folgte ihm durch die Tür. Kaum betrat ich den großen Raum mit weißgekachelten Wänden, stürmte eine Gestalt
     durch eine andere Tür direkt auf mich zu.
    Mir blieb das Herz stehen, ehe mir klar wurde, dass es mein Spiegelbild war.
    An der gegenüberliegenden Wand hing ein riesiger fleckiger Spiegel. Davor standen ein paar Trinkbrunnen, deren Hähne verstaubt
     und trocken waren. Durch eine Reihe hoher, mit Spinnweben überzogener Fenster schien ein trübes Licht auf die gesprungenen
     weißen, vom Boden bis zur Decke reichenden Kacheln. Schilder wie
Behandlungszimmer, Sauna
und
Türkisches Bad
führten in ein Labyrinth aus dunklen Kammern, die von dem Raum abgingen, in dem wir standen. Aber das nahmen wir nur nebenbei
     wahr.
    Denn York hatte auch hier seine Opfer abgelegt.
    In einer Ecke neben einem dunklen Torbogen war ein etwa sechs Quadratmeter großes Schwimmbecken in den Boden eingelassen.
     York hatte es in ein Massengrab verwandelt. Das Becken war fast vollständig mit Leichen gefüllt. Soweit ich erkennen konnte,
     befanden sie sich in verschiedenen Stadien der Verwesung, keine war jedoch bereits so weit fortgeschritten wie diejenigen,
     die im Garten lagen.
    Der Gestank war unbeschreiblich.
    Der Anblick ließ Paul innehalten, aber nur kurz. Er ging schnell hinüber zu den Türen, auf denen
Behandlungszimmer
stand, und riss die erste auf. Der kleine

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