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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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mit dem Kopf nach unten.»
    «Irgendwie glaube ich nicht, dass wir es hier mit einem Ertrunkenen zu tun haben», sagte Gardner, als er mit schweren Schritten
     in die Hütte zurückkam.
    Er brachte einen anderen Mann mit. Der Neuankömmling trug ebenfalls Überschuhe und Handschuhe, kam mir aber weder wie ein
     Polizeibeamter noch wie ein TB I-Agent vor. Er war Mitte vierzig und nicht wirklich dick, aber wohlgenährt |43| und wirkte irgendwie aalglatt. Er trug helle Baumwollhosen und eine leichte Wildlederjacke über einem hellblauen Hemd. Seine
     runden Wangen waren mit einem Dreitagebart bedeckt.
    Aber seine scheinbar lässige Erscheinung wirkte so gewollt, als hätte er sich nach dem Vorbild kerniger Dressmen aus Modemagazinen
     gestylt. Seine Kleidung war zu gut geschnitten und teuer, außerdem war das Hemd einen Knopf zu weit geöffnet. Und der Dreitagebart
     war wie das Haar eine Spur zu sorgfältig frisiert.
    Er strahlte Selbstsicherheit aus, als er die Hütte betrat. Sein leichtes Lächeln verschwand auch dann nicht, als er die an
     den Tisch gebundene Leiche betrachtete.
    Gardner hatte sich von seiner Maske befreit, vielleicht aus Rücksicht auf den Neuankömmling, der auch keine trug. «Professor
     Irving, ich glaube, Sie haben Tom Lieberman noch nicht kennengelernt, oder?»
    Der Neuankömmling wandte sich mit seinem Lächeln an Tom. «Nein, leider haben sich unsere Wege noch nicht gekreuzt. Sie müssen
     entschuldigen, wenn ich Ihnen nicht die Hand gebe», sagte er und zeigte uns theatralisch seine Handschuhe.
    «Professor Irving ist Psychologe und hat bereits bei einigen Ermittlungen des TBI als Profiler gearbeitet», erklärte Gardner.
     «Wir wollten bei diesem Fall den Blick eines Psychologen einbeziehen.»
    Irving setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf. «Eigentlich ziehe ich es vor, mich Verhaltensforscher zu nennen. Aber ich
     möchte nicht spitzfindig werden, was Bezeichnungen angeht.»
    Genau das hast du gerade getan
. Ich ermahnte mich, meine Laune nicht an ihm auszulassen.
    |44| Toms Lächeln wirkte freundlich, doch ich meinte zu erkennen, dass es reine Ironie war. «Freut mich, Sie kennenzulernen, Professor
     Irving. Dies ist mein Freund und Kollege Dr.   Hunter», fügte er hinzu, um Gardners Versäumnis wiedergutzumachen.
    Das Nicken, das Irving in meine Richtung schickte, war zwar höflich, aber es war offensichtlich, dass er mich nicht wirklich
     wahrnahm. Er richtete seine Aufmerksamkeit bereits mit einem breiten Lächeln auf Jacobsen.
    «Ich glaube, Ihren Namen habe ich nicht ganz verstanden.»
    «Diane Jacobsen.» Sie wirkte beinahe nervös, und als sie einen Schritt vortrat, war von ihrer bisherigen Reserviertheit nichts
     mehr zu spüren. «Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Professor Irving. Ich habe einige Ihrer Werke gelesen.»
    Irvings Lächeln wurde noch breiter. Ob ich wollte oder nicht, mir fiel auf, wie unnatürlich weiß und ebenmäßig seine Zähne
     waren.
    «Ich hoffe, sie sind auf Ihre Zustimmung gestoßen. Und, bitte, sagen Sie Alex zu mir.»
    «Diane hat Psychologie studiert, bevor sie zum TBI gekommen ist», schaltete sich Gardner ein.
    Die Augenbrauen des Profilers hoben sich. «Tatsächlich? Dann muss ich ja besonders vorsichtig sein, um mir keine Fehler zu
     erlauben.» Es hätte mich nicht gewundert, wenn er ihre Wange getätschelt hätte. Als er dann die Leiche betrachtete, wich sein
     Lächeln einem angeekelten Ausdruck.
    «Hat schon bessere Tage gesehen, was?», sagte er und rümpfte seine Nase. «Kann ich noch etwas mehr Menthol haben, bitte?»
    Die Bitte war an niemand Bestimmtes gerichtet. Nach einem |45| Moment ging eine Beamtin der Spurensicherung widerwillig hinaus, um es zu holen. Mit wie beim Gebet aneinandergelegten Händen
     hörte Irving kommentarlos zu, während Gardner ihm den bisherigen Kenntnisstand mitteilte. Als die Beamtin zurückkam, nahm
     der Profiler ohne Dank die Mentholsalbe, schmierte sich einen ordentlichen Streifen über die Oberlippe und hielt ihr dann
     das Glas wieder hin.
    Sie schaute einen Augenblick auf das Glas, bevor sie es ihm abnahm. «Gern geschehen.»
    Sollte Irving den Sarkasmus bemerkt haben, dann ließ er es sich nicht anmerken. Tom warf mir einen amüsierten Blick zu, während
     er ein weiteres Probenglas aus der Tasche nahm und sich wieder der Leiche widmete.
    «Es wäre mir lieber, Sie würden warten, bis ich fertig bin.»
    Irving hatte ihn beim Sprechen nicht angesehen. Offenbar hielt er es für

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