Leichenblässe
Fliegen, die aufgeregt um uns herumschwirrten,
aber das war fast nebensächlich, verglichen mit der Hitze.
Die Hütte war wie eine Sauna.
Tom verzog das Gesicht. «Mein Gott …»
|35| «Hab dir gesagt, zieh dich aus», brummte Gardner.
Der Raum war klein und spärlich möbliert. Einige Beamte der Spurensicherung hatten in ihrem Tun innegehalten und sich zu uns
umgeschaut, als wir hereingekommen waren. Die Rollläden vor den Fenstern auf beiden Seiten der Tür waren hochgezogen worden,
sodass das Tageslicht hereinschien. Der Boden bestand aus schwarzgestrichenen Dielenbrettern, auf denen abgetretene Läufer
lagen. Über dem Kamin hing ein verstaubtes Geweih an der Wand, vor einer anderen standen eine schmutzige Spüle, Herd und Kühlschrank.
Der Rest des Mobiliars – Fernseher, Sofa und Sessel – war an die Seite geschoben worden, sodass in der Mitte des Raumes nur noch ein kleiner Esstisch
stand.
Darauf lag die Leiche.
Sie war nackt und lag auf dem Rücken, Arme und Beine hingen über die Tischkanten. Angeschwollen durch Gase, ähnelte der Torso
einer zu voll gestopften Reisetasche, die aufgeplatzt war. Maden strömten aus der Leiche auf den Boden, und zwar derart viele,
dass sie aussahen wie übergekochte Milch. Neben dem Tisch stand ein elektrischer Heizkörper, der rot glühte. Ich sah, wie
eine Made auf das Gerät fiel und sich zischend und brutzelnd auflöste.
Vervollständigt wurde das Bild durch einen Stuhl, der neben den Kopf des Opfers gestellt worden war. Erst dachte ich mir nicht
viel dabei, doch dann begann ich mich zu fragen, warum er dort stand.
Jemand hatte sich genau anschauen wollen, was er tat.
Wir waren alle auf der Türschwelle stehen geblieben. Selbst Tom schien sprachlos zu sein.
«Wir haben alles so gelassen, wie wir es vorgefunden haben», sagte Gardner. «Ich dachte, du willst die Temperatur selbst messen.»
|36| Er stieg in meiner Achtung. Obwohl die Temperatur ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung der Todeszeit ist, war ich noch
nicht vielen Ermittlungsbeamten begegnet, die daran gedacht hätten. In diesem Fall wünschte ich mir jedoch beinahe, dass er
nicht so pflichtbewusst gewesen wäre. Die Kombination aus Hitze und Gestank war unerträglich.
Tom nickte abwesend, sein Blick war bereits auf die Leiche konzentriert. «Würdest du das machen, David?»
Ich stellte seinen Koffer auf eine freie Fläche der Dielenbretter und öffnete ihn. Tom hatte noch immer das gleiche alte Equipment
wie damals, als ich ihn kennengelernt hatte. Jedes Gerät war häufig benutzt worden und steckte ordentlich an seinem Platz.
Doch während er tief im Inneren ein Wissenschaftler alter Schule war, erkannte er auch die Vorteile neuer Technologien an.
Er besaß noch sein altes Quecksilberthermometer, eine elegante Konstruktion aus mundgeblasenem Glas und handgearbeitetem Stahl,
aber daneben steckte ein neues, digitales Modell. Ich nahm es heraus, stellte es an und beobachtete, wie die Ziffern auf dem
Display schnell zu steigen begannen.
«Wie lange brauchen deine Leute noch?», fragte Tom Gardner und schaute zu den im Raum arbeitenden, ganz in Weiß gekleideten
Gestalten.
«Nicht mehr lange. Es ist zu heiß hier drinnen. Ein Beamter ist bereits umgekippt.»
Tom achtete darauf, nicht in das getrocknete Blut zu treten, und beugte sich über die Leiche. Er rückte seine Brille zurecht,
um besser sehen zu können. «Haben wir schon eine Temperatur, David?»
Ich überprüfte die digitale Anzeige. Ich hatte bereits zu schwitzen begonnen. «43,5°.»
«Können wir dann jetzt diese gottverdammte Heizung |37| ausstellen?», fragte einer der Beamten der Spurensicherung. Er war ein großer Mann mit einem kugelrunden Bauch, über dem sich
sein Overall spannte. Was unter der Maske von seinem Gesicht zu sehen war, war rot und verschwitzt.
Ich schaute Tom fragend an. Er nickte.
«Die Fenster können wir auch aufmachen, damit ein bisschen frische Luft reinkommt.»
«Dem Herrn sei gedankt dafür», sagte der große Mann schnaufend, als er den Heizkörper ausschaltete. Während das Glühen des
Gerätes abnahm, öffnete er die Fenster so weit wie möglich. Die anderen Beamten seufzten und brummten erleichtert, als frische
Luft in die Hütte strömte.
Ich ging zu Tom, der konzentriert auf die Leiche hinabstarrte.
Gardner hatte nicht übertrieben. Es gab keinen Zweifel daran, dass wir es mit Mord zu tun hatten. Die Gliedmaßen des Opfers
waren auf beiden
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