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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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selbstverständlich, dass sich jeder seinen Wünschen
     beugte. Ich sah, wie Toms Augen vor Verärgerung funkelten, und einen Moment lang glaubte ich, er wollte etwas entgegnen. Doch
     bevor er etwas sagen konnte, fuhr plötzlich ein Zucken durch sein Gesicht. Es war so schnell wieder vorbei, dass ich es mir
     auch eingebildet haben könnte, wenn er danach nicht ganz blass gewesen wäre.
    «Ich glaube, ich brauche ein bisschen frische Luft. Verdammt heiß hier drinnen.»
    Er machte einen unsicheren Eindruck, als er zur Tür ging. Ich wollte ihm folgen, aber er hielt mich mit einem Kopfschütteln
     zurück.
    «Du musst nicht mitkommen. Du kannst anfangen, Fotos zu machen, sobald Professor Irving fertig ist. Ich gehe nur etwas Wasser
     trinken.»
    «In der Kühlbox neben den Tischen sind kalte Flaschen», sagte Gardner ihm.
    |46| Besorgt schaute ich ihm hinterher, aber es war eindeutig, dass Tom kein Aufheben machen wollte. Von den anderen schien keiner
     bemerkt zu haben, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er hatte sich, abgesehen von mir und Irving, von allen abgewandt, und
     der Profiler achtete sowieso auf niemanden. Irving stand mit einer Hand am Kinn da, während Gardner sein Briefing wiederaufnahm,
     und betrachtete versunken den toten Mann auf dem Tisch. Nachdem der TB I-Agent fertig war, rührte er sich nicht und sagte auch nichts und verharrte in einer Pose innerer Einkehr.
Pose ist das entscheidende
Wort.
Ich ermahnte mich, nicht gehässig zu sein.
    «Ihnen ist natürlich klar, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben, oder?», sagte er schließlich.
    Gardner machte eine gequälte Miene. «Das können wir nicht mit Sicherheit sagen.»
    Irving lächelte herablassend. «O doch, ich denke, das können wir. Schauen Sie sich an, wie die Leiche
arrangiert
wurde. Sie wurde regelrecht für uns ausgestellt. Nackt, gefesselt und aller Wahrscheinlichkeit nach gefoltert. Und dann wurde
     sie mit dem Gesicht nach oben liegengelassen. Es gibt keinerlei Anzeichen für Scham oder Reue, es wurde kein Versuch unternommen,
     die Augen des Opfers zu bedecken oder es umzudrehen. Dieser Fall riecht förmlich nach Berechnung und Vergnügen. Er hat genossen,
     was er getan hat, deswegen wollte er, dass wir es sehen.»
    Gardner nahm die Ausführungen resigniert auf. So viel hatte er bestimmt schon selbst gewusst. «Der Mörder war also männlich?»
    «Aber natürlich.» Irving kicherte, als hätte Gardner einen Witz gemacht. «Abgesehen von allen anderen Hinweisen war das Opfer
     offensichtlich ein kräftiger Mann. Glauben Sie etwa, eine Frau wäre dazu fähig gewesen?»
    |47|
Du wärst überrascht, wozu manche Frauen fähig sind
. Ich spürte, wie meine Narbe zu jucken begann.
    «Wir haben es hier mit einer gewaltigen, wirklich ungeheuren Arroganz zu tun», fuhr Irving fort. «Der Mörder muss gewusst
     haben, dass die Leiche gefunden wird, sobald das Mietverhältnis endet. Mein Gott, er hat sogar die Brieftasche hiergelassen,
     damit Sie das Opfer identifizieren können. Nein, das war kein einmaliger Fall. Unser Mann fängt gerade erst an.»
    Diese Aussicht schien ihn zu erfreuen.
    «Die Brieftasche muss nicht unbedingt dem Opfer gehören», wandte Gardner halbherzig ein.
    «Natürlich gehört sie dem Opfer. Der Mörder ist viel zu überlegt vorgegangen, um seine eigene zu vergessen. Ich würde sogar
     darauf wetten, dass er die Hütte selbst reserviert hat. Er ist nicht nur zufällig vorbeigekommen, um denjenigen zu ermorden,
     der sie gerade gemietet hat. Dafür war das alles zu gut geplant, ja beinahe komponiert. Nein, er hat die Buchung im Namen
     des Opfers getätigt und es dann hierhergebracht. An diesen hübschen und abgelegenen Ort, den er zweifelsohne vorher ausgespäht
     hatte und wo er das Opfer in aller Ruhe foltern konnte.»
    «Woher wollen Sie wissen, dass das Opfer gefoltert wurde?», fragte Jacobsen. Es war das erste Mal, dass sie sich zu Wort meldete,
     seit Irving sie so gönnerhaft behandelt hatte.
    Irving schien langsam in Fahrt zu kommen. «Warum wurde es sonst an den Tisch gefesselt? Das Opfer wurde nicht nur festgebunden,
     es wurde
angepflockt
. Der Mörder wollte sich Zeit dafür nehmen, um die Sache zu genießen. Ich nehme an, es gibt keine Möglichkeit, Spermareste
     oder Hinweise auf eine Vergewaltigung zu finden, oder?»
    |48| Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass die letzte Frage an mich gerichtet war. «Nein, bei einer so stark verwesten
     Leiche ist das nicht möglich.»
    «Ein

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