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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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mich. «David, was ist denn das für eine Wette für eine schwangere Frau?»
    «Hört sich für mich ziemlich gerissen an. Er kann sie trinken, selbst wenn er verliert.»
    «Hey, du solltest auf meiner Seite sein», protestierte Paul.
    «So blöd ist David nicht», sagte Sam und gab ihm einen Knuff.
    Während ich ihrem Geplänkel lauschte, begann ich ruhiger zu werden. Es war schön zu sehen, wie glücklich sie waren, auch wenn
     es mich ein wenig neidisch machte. Als Paul auf einen Parkplatz bog, war ich enttäuscht, dass die Fahrt schon vorbei war.
    Wir befanden uns in der Altstadt, dem einstigen industriellen Herzen Knoxvilles. Einige Fabriken und Lagerhäuser existierten
     noch, aber die Gegend hatte einen Wandel erlebt, und die Industrie war vornehmen Bars, Restaurants und Wohnungen gewichen.
     Paul hatte etwas abseits von dem Steakhouse geparkt, in dem sich alle trafen, einem alten Backsteingebäude, dessen ausgehöhltes
     Inneres nun mit Tischen und einer Bühne für Livemusik eingerichtet war. Da das Lokal bereits voll war, mussten wir uns zu
     der großen Gruppe hindurchdrängeln, die vor einem der Fenster saß. Die |63| halbleeren Biergläser und das Gelächter zeugten davon, dass die Leute bereits seit einiger Zeit dort waren, und für einen
     Augenblick wünschte ich, ich wäre nicht mitgekommen.
    Dann wurde mir ein Platz am Tisch frei gemacht, und es war zu spät. Man stellte mir die Anwesenden vor, doch ich vergaß die
     Namen, sobald ich sie hörte. Abgesehen von Paul und Sam erkannte ich nur Alana wieder, die Anthropologin, die mir am frühen
     Nachmittag auf der Body Farm gesagt hatte, wo Tom zu finden war. Sie war in Begleitung eines muskulösen Mannes, von dem ich
     annahm, dass er ihr Ehemann war, die anderen aber waren entweder Mitglieder des Instituts oder Studenten, die ich nicht kannte.
    «Du musst das Bier probieren, David», sagte Paul, der sich an Sam vorbei zu mir gebeugt hatte. «Die haben hier eine eigene
     kleine Brauerei. Es ist großartig.»
    Ich hatte seit Monaten kaum Alkohol angerührt, doch jetzt hatte ich das Gefühl, etwas vertragen zu können. Das dunkle Bier
     wurde kalt serviert und schmeckte wunderbar. Die Hälfte trank ich in einem Zug, ehe ich das Glas mit einem Seufzen absetzte.
    «Sah so aus, als hättest du das gebraucht», sagte Alana auf der anderen Tischseite. «Einer von diesen Tagen, was?»
    «Kann man so sagen», stimmte ich ihr zu.
    «Ich hatte auch schon ein paar.»
    Sie hob ihr Glas mit einem ironischen Lächeln. Ich prostete ihr zu und trank noch einen Schluck Bier. Schon bald merkte ich,
     wie ich mich entspannte. Da die Atmosphäre am Tisch ungezwungen und freundlich war, fiel es mir leicht, mich an den Gesprächen
     zu beteiligen.Als das Essen kam, machte ich mich darüber her. Ich hatte ein Steak und grünen Salat bestellt und merkte erst
     in diesem Moment, wie hungrig ich war.
    «Amüsierst du dich?»
    |64| Sam lächelte mich über den Rand ihres Wasserglases an. Ich nickte und schluckte einen Bissen Steak herunter.
    «Sieht man mir das an?»
    «Na ja. Es ist das erste Mal, dass ich dich locker erlebe. Das solltest du öfter versuchen.»
    Ich lachte. «Bin ich so schlimm?»
    «Ach, nur ein bisschen angespannt.» Ihr Lächeln war warmherzig. «Ich weiß, dass du hergekommen bist, um ein paar Dinge auf
     die Reihe zu kriegen. Aber kein Gesetz sagt, dass man sich nicht ab und zu amüsieren darf. Denk daran, du bist hier unter
     Freunden.»
    Ich senkte meinen Blick, stärker gerührt, als ich zugeben wollte. «Ich weiß. Danke.»
    Sie rutschte auf ihrem Stuhl umher und zuckte zusammen, als sie eine Hand auf ihren Bauch legte.
    «Alles in Ordnung?», fragte ich.
    Sie lächelte gequält. «Er ist ein bisschen unruhig.»
    «Er?»
    «Er», wiederholte sie bestimmt und warf Paul einen verstohlenen Blick zu. «Eindeutig er.»
    Die Teller wurden abgeräumt, Nachtisch und weitere Getränke bestellt. Ich nahm einen Kaffee, denn ich wusste, dass ich es
     am Morgen bereuen würde, wenn ich noch ein Bier trank. Ich lehnte mich zurück und genoss den leichten Schwips und das Wohlgefühl.
    Und dann zerplatzte meine gute Laune.
    Plötzlich nahm ich einen leicht herben und unverkennbaren Moschushauch wahr. Einen Augenblick später war er weg und zwischen
     den strengeren Gerüchen des Essens und des Biers untergegangen, doch ich wusste, dass ich ihn mir nicht eingebildet hatte.
     Die Gewissheit durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag. Für einen Moment lag ich wieder

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