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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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stummen Wänden aus Bäumen vorbei, deren Äste im Licht der Scheinwerfer
     plastisch hervorstachen.
    «Was hältst du von Irvings Theorie?», fragte er nach einer Weile.
    «Meinst du, dass dieser Fall der Beginn einer Mordserie ist oder dass die Tat sexuell motiviert war?»
    «Beides.»
    «Er könnte recht damit haben, dass es ein Serienmörder ist», sagte ich. Die meisten Mörder versuchen, ihre Verbrechen zu vertuschen
     und die Leichen ihrer Opfer zu verstecken, anstatt sie offen zur Schau zu stellen. Diese Tat roch nach einer völlig anderen
     Art von Mörder, nach einem, der ein ganz anderes Ziel verfolgte.
    «Und das andere?»
    «Keine Ahnung. Irving versteht bestimmt etwas von seiner Arbeit, aber   …» Ich zuckte mit den Achseln. «Meiner |54| Meinung nach hat er zu voreilig Schlüsse gezogen. Mir kam es so vor, als hätte er nur das gesehen, was er sehen wollte, und
     nicht das, was wirklich dort war.»
    «Leute, die nicht verstehen, was wir tun, könnten das Gleiche über uns denken.»
    «Was wir tun, basiert wenigstens auf handfesten Beweisen. Irving hat für meinen Geschmack unglaublich viel spekuliert.»
    «Willst du behaupten, dass du nie auf deine Instinkte hörst?»
    «Ich höre vielleicht auf meine Instinkte, aber ich würde sie nie über die Fakten stellen. Das würdest du auch nicht tun.»
    Er lächelte. «Ich kann mich erinnern, dass wir diese Diskussion schon einmal hatten. Und natürlich sage ich nicht, dass wir
     uns zu sehr auf unsere Instinkte verlassen sollten. Aber vernünftig angewendet, sind sie ein weiteres Werkzeug, das uns zur
     Verfügung steht. Das Gehirn ist ein mysteriöses Organ; manchmal stellt es Verbindungen her, die wir bewusst gar nicht erkennen
     würden. Du hast immer gute Instinkte gehabt, David. Du solltest lernen, ihnen mehr zu vertrauen.»
    Nach meinem groben Schnitzer in der Hütte lag mir das so fern wie nichts anderes. Aber ich wollte nicht, dass dieses Gespräch
     zu einer Diskussion über mich wurde. «Irvings gesamter Ansatz war subjektiv. Er schien sich von Anfang an darauf festgelegt
     zu haben, dass der Mörder ein Mensch ist, der seine Homosexualität verdrängt. Er wollte etwas Großes und Sensationelles. Ich
     hatte den Eindruck, dass er im Geiste bereits seinen nächsten Artikel plante.»
    Tom lachte auf. «Eher sein nächstes Buch. Vor ein paar Jahren hat er es auf die Bestsellerliste geschafft, und seitdem rennt
     er von einer Talkshow zur nächsten, zumindest, wenn |55| das Honorar stimmt. Der Mann ist ein schamloser Selbstvermarkter, gerechterweise muss man jedoch zugeben, dass er bei ein
     paar Ermittlungen Erfolg gehabt hat.»
    «Und ich wette, das sind auch die einzigen, von denen man etwas erfährt.»
    In Toms Brille spiegelte sich das Licht der Scheinwerfer, als er mich von der Seite anschaute. «Du klingst ziemlich zynisch
     in den letzten Tagen.»
    «Ich bin nur müde. Achte gar nicht drauf.»
    Tom schaute wieder auf die Straße. Ich konnte beinahe spüren, wie die Frage kam. «Es geht mich nichts an, aber was ist eigentlich
     mit dieser Frau, mit der du zusammen warst? Jenny, richtig? Ich wollte es bisher nicht ansprechen, aber   …»
    «Es ist vorbei.»
    Die Worte besaßen eine schreckliche Endgültigkeit, die trotz allem noch immer nicht auf mich und Jenny zuzutreffen schien.
    «Wegen der Sache, die dir passiert ist?»
    «Auch.» Und wegen anderer Dinge.
Weil du deine Arbeit
über alles andere stellst. Weil du fast umgebracht worden
wärst. Weil sie nicht mehr zu Hause sitzen und sich fragen
wollte, ob es erneut passieren würde.
    «Tut mir leid», sagte Tom.
    Ich nickte und starrte nach vorn.
Mir auch.
    Der Blinker klickte, als er in eine andere Straße einbog. Sie schien noch dunkler zu sein als die letzte.
    «Und wie lange hast du schon diese Herzprobleme?», fragte ich.
    Tom schwieg einen Augenblick, dann schnaubte er. «Ich vergesse immer wieder, dass du mal Arzt gewesen bist.»
    «Was ist es, Angina Pectoris?»
    |56| «Das sagen die. Aber mir geht’s gut, es ist nichts Ernstes.»
    Vorhin hatte es für mich ziemlich ernst ausgesehen. Ich musste daran denken, wie häufig ich seit meiner Ankunft schon erlebt
     hatte, dass er stehen blieb, um Luft zu holen. Es hätte mir früher auffallen müssen. Wenn mich meine eigenen Probleme nicht
     so sehr in Beschlag genommen hätten, wäre es mir vielleicht auch aufgefallen.
    «Du solltest ein bisschen kürzertreten und nicht die Berge hochjagen», sagte ich ihm.
    «Ich werde jetzt nicht

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