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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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hatten die Ehre, Sir, obwohl ich mich an diesen Fall nicht im Einzelnen erinnern kann. Wir führen
     so viele Bestattungen durch, müssen Sie wissen. Steeple Hill bietet einen alles umfassenden Bestattungsservice an, einschließlich
     Einäscherung oder Beisetzung an diesem wunderschönen Ort.» Er deutete mit einer ausholenden Armbewegung auf die ungepflegte
     Anlage, als wäre sie ein vornehmer Park. «Mein Vater hat die Firma 1958 gegründet, und seitdem stehen wir im Dienste der Hinterbliebenen.
     Unser Motto lautet ‹Würde und Trost›, und daran möchte ich festhalten.»
    Auf diese Kundenwerbung folgte betretene Stille. Tom sah erleichtert aus, als Gardner einschritt.
    |93| «Dürfte nicht mehr lange dauern. Wir sind gleich so weit», sagte er. Yorks Lächeln verblasste vor Enttäuschung, während Tom
     geschickt davongelotst wurde.
    Als wollte er Gardners Prognose beweisen, lud der Bagger die letzte Schaufel Erde ab, stieß eine Abgaswolke aus und setzte
     zurück. Ein müde wirkender Mann, den ich für einen Beamten des Gesundheitsamtes hielt, gab einem der Arbeiter ein Zeichen.
     In Overall und mit Schutzmaske trat dieser vor und sprühte ein Desinfektionsmittel in das offene Loch. Der Tod des Wirts bedeutet
     nicht in jedem Fall das Ende krankheitserregender Parasiten. Abgesehen von den Bakterien, die im verwesenden Fleisch gedeihen,
     sind Hepatitis, Aids und Tuberkulose nur ein paar der Krankheiten, die ein Toter auf die Lebenden übertragen kann.
    Ein weiterer Arbeiter in Schutzkleidung senkte eine kurze Leiter in das Grab, stieg hinab und räumte mit einer Schaufel die
     restliche Erde vom Sarg. Dann machte er sich daran, Seile anzubringen. Als er fertig war, leuchtete der Himmel bereits blassblau,
     und der Kiefernwald warf lange Schatten auf den Rasen. Der Arbeiter kletterte heraus, und dann stellten sich er und seine
     Kollegen auf beide Seiten des Grabes und begannen, den Sarg in einer makabren Umkehrung einer Beerdigung nach oben zu ziehen.
    Langsam tauchte die verdreckte Kiste an der Oberfläche auf, Erdklumpen rieselten hinab. Die Männer stellten sie auf die Bretter,
     die neben das Grab gelegt worden waren, und wichen dann schnell zurück.
    «Gott! Wie das stinkt!», brummte einer von ihnen.
    Er hatte recht. Selbst dort, wo ich stand, verpestete der Verwesungsgestank die frische Morgenluft. Die Nase rümpfend, ging
     Gardner hinüber und bückte sich, um den Sarg zu untersuchen.
    |94| «Der Deckel ist gesplittert», sagte er und zeigte auf einen Riss unter der Schmutzkruste. «Ich glaube nicht, dass er durch
     die Schaufel eingeschlagen wurde, sieht eher so aus, als wäre es ziemlich dünnes Holz.»
    «Das ist beste amerikanische Kiefer! Das ist ein erstklassiger Sarg!», polterte York. Niemand achtete auf ihn.
    Tom beugte sich über den Sarg und schnüffelte. «Hast du nicht gesagt, er wäre vor sechs Monaten beerdigt worden?», fragte
     er Gardner.
    «Stimmt. Warum?»
    Tom antwortete ihm nicht. «Merkwürdig. Was denkst du, David?»
    Ich versuchte, mein Unbehagen zu verbergen, als sich alle Blicke auf mich richteten. «Es dürfte nicht so stinken», sagte ich
     unwillig. «Unmöglich, nach nur sechs Monaten.»
    «Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, der Sarg ist nicht gerade luftdicht», sagte Hicks. «Was erwarten Sie bei so
     einem Loch?»
    Ich hoffte, dass Tom antworten würde, doch er schien ganz darauf konzentriert zu sein, den Sarg zu untersuchen. «Trotzdem
     hatte er gut zwei Meter Mutterboden über sich. So tief vergraben, verläuft die Verwesung wesentlich langsamer als unter freiem
     Himmel.»
    «Ich hatte zwar nicht mit Ihnen geredet, aber danke für die Belehrung», sagte Hicks voller Sarkasmus. «Bestimmt kennen Sie
     sich als Engländer genauestens mit den Bedingungen in Tennessee aus.»
    Tom richtete sich vom Sarg auf. «David hat recht. Selbst wenn die Leiche nicht einbalsamiert war, dürfte die Verwesung nicht
     so schlimm riechen, egal ob der Sargdeckel gesplittert war oder nicht.»
    Der Pathologe starrte ihn finster an. «Warum schauen |95| wir dann nicht nach?» Er winkte schroff die Arbeiter heran. «Öffnen Sie ihn.»
    «Hier?», entgegnete Tom überrascht. Normalerweise würde man den Sarg erst in der Leichenhalle öffnen.
    Hicks schien den Moment zu genießen. «Der Sarg ist bereits kaputt. Ich will lieber gleich herausfinden, ob die Leiche tatsächlich
     so stark verwest ist, wie Sie behaupten. Ich habe schon genug Zeit verschwendet.»
    Ich kannte Tom gut

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