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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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heraus. Toms |195| Hand zitterte, als er sie sich unter die Zunge legte. Einen Augenblick lang passierte nichts, dann begann sich sein Gesicht
     zu entspannen.
    «Okay?», fragte ich. Er nickte, zu erschöpft, um zu sprechen. «Ruh dich eine Weile aus.»
    In der Nähe war ein Rascheln zu hören. Jerry, der große Agent von der Spurensicherung, kam zu uns. «Alles in Ordnung?»
    Ich spürte, wie Tom meinen Arm drückte, ehe ich antworten konnte. «Ja. Wir müssen nur mal ein bisschen Luft schnappen.»
    Der Agent sah nicht so aus, als könnte man ihm etwas vormachen, ließ uns aber allein. Sobald er weg war, ließ Tom wieder die
     Schultern hängen.
    «Kannst du gehen?», fragte ich.
    Er atmete unregelmäßig. «Ich glaube   …»
    «Dann komm, ich bringe dich hier raus.»
    «Ich schaffe es schon. Mach du hier weiter.»
    «Ich lasse dich nicht   …»
    Er packte mich wieder am Arm und sah mich flehend an. «Bitte, David.»
    Mir gefiel der Gedanke nicht, ihn allein durch den Wald gehen zu lassen, aber es hätte ihn nur noch mehr aufgeregt, wenn ich
     darauf bestanden hätte, ihn zu begleiten. Ich schaute durch die Bäume zum Waldrand, um abzuschätzen, wie weit es war.
    «Ich werde schön langsam gehen», sagte er. Offenbar hatte er meine Gedanken erraten. «Und ich verspreche, dass ich eine Pause
     mache, sobald ich draußen bin.»
    «Du musst zum Arzt.»
    «War ich erst.» Er lächelte schwach. «Mach dir keine Sorgen. Du arbeitest hier einfach weiter.»
    |196| Voller Unruhe schaute ich zu, wie er sich seinen Weg durch die Bäume bahnte. Er bewegte sich so behutsam wie ein alter Mann.
     Ich wartete, bis er den Waldrand erreicht hatte und durch die dichten Zweige im Tageslicht verschwand, und ging dann hinüber
     zu Jerry, der ein Objekt auf dem Boden untersuchte, das ein Stück Knochen gewesen sein könnte. Als ich näher kam, schaute
     er auf.
    «Alles in Ordnung mit ihm?»
    «Ja, es ist nur die Hitze. Sie sagten vorhin, Sie hätten einen Schädel gefunden?», fuhr ich schnell fort.
    Er führte mich zum Fuß einer Anhöhe, wo ein weiteres Fähnchen im Boden steckte. Daneben, halb unter Kiefernnadeln verborgen,
     lag ein blasser Schädel, und zwar verkehrt herum, sodass er einer schmutzigen Elfenbeinschüssel glich, ein Eindruck, der noch
     dadurch verstärkt wurde, dass der Unterkieferknochen fehlte. Die schwere Struktur ließ darauf schließen, dass er von einem
     Mann stammte. Außerdem konnte ich Risse erkennen, die sich von einem Zentrum am Stirnbein ausdehnten. Eine solche Bruchverletzung
     konnte nur durch einen Zusammenprall mit einer harten Fläche verursacht worden sein.
    Zum Beispiel mit einer Windschutzscheibe.
    Ich war mir jetzt sicher, dass wir es mit den Überresten von Willis Dexter zu tun hatten, und in diesem Fall würden sie uns
     nicht weiterbringen. Man konnte davon ausgehen, dass der Schlosser tatsächlich durch einen Autounfall ums Leben gekommen und
     nicht ermordet worden war. Seine einzige Verbindung zu den Morden waren sein Sarg und sein Grab, die sich der Mörder angeeignet
     hatte. Wenn wir hätten nachweisen können, dass eine seiner Hände oder auch nur einige Finger fehlten, hätten wir wenigstens
     erklären können, wie seine Fingerabdrücke so lange nach seinem Tod auf den Filmbehälter |197| gelangt waren. Aber man hatte weder Handwurzelknochen noch Fingerknochen gefunden, und angesichts der Größe des Waldes würde
     das wohl auch nie geschehen. Die Aasfresser hatten ganze Arbeit geleistet. Selbst wenn die kleineren Knochen nicht gefressen
     worden waren, könnten sie mittlerweile überall sein.
    «Umsonst gekommen, was, Doc?», sagte Jerry vergnügt, als ich den letzten Fund fotografierte – eine bis auf die Hälfte ihrer
     ursprünglichen Länge abgenagte Rippe. «Man kann nicht viel mehr erkennen, als dass es menschliche Überreste sind. Und das
     hätten wir Ihnen auch sagen können. Egal, wenn Sie fertig sind, würden wir gerne damit anfangen, alles einzusammeln und zu
     verpacken.»
    Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl. Als ich gerade gehen wollte, fiel mir in der Nähe ein weiteres Fähnchen auf.
    «Was ist das da drüben?»
    «Nur ein paar Zähne. Sind wohl rausgefallen, als der Kiefer abgerissen wurde.»
    Das war nicht ungewöhnlich. Aasfresser machen sich normalerweise zuerst über das Gesicht her, und die Zähne hätten sich leicht
     aus dem fehlenden Unterkieferknochen lösen können. Beinahe hätte ich mir die Mühe erspart, hinüberzugehen. Ich war verschwitzt
     und

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