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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Schweißflecken
und ist zerknittert. Eine weitere Zeitverschwendung.
Ein weiterer Misserfolg, sag es doch, wie es ist. Dabei bist
du so kurz davor gewesen. Das macht es umso schlimmer.
Du hast in der Dunkelheit gestanden und mit Herzklopfen
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angerufen. Du hast Angst gehabt, dass deine Nervosität dich
verraten könnte, aber natürlich hast du dich am Ende im
Griff gehabt. Der Trick besteht darin, sie zu erschrecken und
so aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass sie nicht mehr
klar denken können. Und es ist genau so gelaufen, wie du es
geplant hast. Es ist fast lächerlich einfach gewesen.
    Doch die Minuten sind verstrichen, ohne dass er aufgetaucht
ist. Dann ist der Krankenwagen gekommen. Du
konntest nur zuschauen, wie die Sanitäter ins Gebäude gelaufen
und mit der reglosen Gestalt auf der Trage zurückgekehrt
sind. Und schließlich ist dir nichts anderes übriggeblieben
, als hilflos hinter dem Wagen herzustarren, mit
dem sie ihn weggefahren haben.
    Außerhalb deiner Reichweite.
    Das ist nicht fair. Gerade als du an dem Punkt warst, zu
triumphieren und deine Überlegenheit zu demonstrieren,
wird dir die Gelegenheit dazu entrissen. Die ganze Planung,
die ganze Mühe, und wofür?
    Damit Lieberman dich betrügt.
    «Scheiße!»
    Du schleuderst die Pfanne durch die Küche. Sie kracht
gegen die Wand, Wasser spritzt umher, die Fliegenfänger
schaukeln. Du stehst mit geballten Fäusten da und überlegst
schnaufend, woran du deine Wut noch auslassen kannst.
Denn wenn sie abklingt, bleibt nur die Angst. Angst vorm
Scheitern, Angst davor, was du als Nächstes tun sollst. Angst
vor der Zukunft. Denn sei ehrlich, was hast du für die ganzen
geopferten Jahre vorzuweisen? Ein paar wertlose Fotos. Bilder
, die nur zeigen, wie nah dran du gewesen bist, die einen
Fehlschlag nach dem anderen eingefangen haben.
    Dir kommen die Tränen angesichts dieser Ungerechtigkeit
. Die Sache letzte Nacht hätte der Verzweiflung entgegenwirken
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sollen, die sich mit jeder aus dem Entwicklerbad
aufgetauchten Enttäuschung vergrößert hat. Lieberman zu
schnappen hätte wenigstens einen kleinen Ausgleich dafür
geboten. Du hättest damit zeigen können, dass du trotzdem
besser bist als die falschen Propheten, die behaupten, alles zu
wissen. Du hättest es verdient, doch nun ist dir selbst diese
Gelegenheit genommen worden. Und was bleibt dir nun?
Nichts.
    Nur die Angst.
    Du schließt die Augen, als dich eine Erinnerung aus der
Kindheit überfällt. Noch jetzt kannst du den Schock von damals
spüren. Die Kälte durchdringt dich, als du die Schwelle
der riesigen Halle überschreitest. Und der Gestank. Du
kannst dich noch daran erinnern, obwohl dein Geruchssinn
schon lange erloschen ist, ein Nachhall wie die Phantomschmerzen
eines amputiertes Beins. Gelähmt durch das, was
du siehst, bleibst du stehen. Reihen blasser, regloser Körper,
in denen weder Blut noch Leben ist. Du kannst den Druck der
Hand des alten Mannes spüren, der dich am Nacken packt,
ohne auf deine Tränen zu achten.
    «Du willst etwas Totes sehen? Dann schau genau hin! Ist
nichts Besonderes dran, oder? Steht uns allen bevor, ob wir
wollen oder nicht. Dir auch. Schau genau hin, denn darauf
läuft alles hinaus. Am Ende sind wir alle nichts weiter als
totes Fleisch.»
    Die Erinnerung an diesen Besuch hat dir jahrelang Albträume
verursacht. Jedes Mal, wenn du dir deine Hand angeguckt
und die nur von einer dünnen Hautschicht bedeckten
Knochen und Sehnen gesehen hast, bist du in Schweiß ausgebrochen
. Wenn du dir die Menschen in deiner Umgebung
angeschaut hast, hast du wieder diese Reihen von blassen
Leichen gesehen. Manchmal, wenn du dein Spiegelbild im
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Badezimmerspiegel gesehen hast, hast du dir vorgestellt, du
wärst eine von ihnen.
    Totes Fleisch.
    Während deiner ganzen Kindheit hat dich diese Erkenntnis
verfolgt. Dann, als du siebzehn warst, hast du in die
Augen einer sterbenden Frau gestarrt und gesehen, wie das
Leben – das
Licht
– in ihnen erloschen ist.
    Und da hast du erkannt, dass du doch mehr bist als nur
Fleisch.
    Damals ist es eine Offenbarung gewesen, doch im Laufe
der Jahre ist es dir immer schwerer gefallen, den Glauben
zu bewahren. Du hast alles getan, um ihn dir zu bestätigen,
doch jede Enttäuschung hat ihn nur weiter untergraben. Und
nach all der Arbeit und Planung, nach all den Risiken, ist das
Scheitern der letzten Nacht kaum noch zu verkraften.
    Du reibst dir die Augen und gehst zum Küchentisch, auf
dem die teilweise auseinandermontierte

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