Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
jemand anders suchen. Und das wird er nicht tun, nicht nachdem |234| Irving unter seinen Augen verschwunden ist und jetzt auch noch Tom ausfällt.»
    Bei der Erinnerung kam ein schlechtes Gewissen in mir auf. Durch Toms Herzanfall hätte ich den Profiler fast vergessen.
    «Und was ist mit Hicks?», fragte ich.
    Pauls Miene wurde hart. «Hicks kann zur Hölle fahren.»
    Es war offensichtlich, dass er nicht in der Stimmung war, Zugeständnisse zu machen. Der Pathologe und Gardner würden bald
     merken, dass die Zusammenarbeit mit ihm ganz anders werden würde als mit Tom, dachte ich.
    «In Ordnung», sagte ich. «Soll ich mit der Rekonstruktion des Skeletts der exhumierten Leiche weitermachen?»
    «Das kann vorerst warten. Gardner will eine Bestätigung, ob die Knochen aus dem Wald von Willis Dexter stammen oder nicht.
     Summer hat bereits damit begonnen, sie auszupacken. Das ist im Moment unsere Priorität.»
    Ich drehte mich zur Tür um, doch dann fiel mir ein, was ich ihn fragen wollte. «Mary hat erzählt, dass Tom vorhin versucht
     hat, ihr etwas zu sagen. Sie meinte, es klang wie ‹spanisch›. Kannst du etwas damit anfangen?»
    «Spanisch?» Paul sah mich verdutzt an. «Sagt mir nichts.»
    Danach zog ich mich um. Paul musste ins Institut zu einer Krisensitzung, sagte aber, dass er so schnell wie möglich zurückkommen
     wollte. Summer war bereits in dem Autopsiesaal, in den die Überreste von Steeple Hill gebracht worden waren, und packte gerade
     die letzten Beweisbeutel aus den Kartons.
    Irgendwie überraschte es mich nicht, dass Kyle ihr dabei half.
    Vertieft in ihr Gespräch, hörten beide nicht, wie ich hereinkam. «Hi», sagte ich.
    |235| Summer schrie auf und wirbelte herum, wobei sie fast einen Beutel fallen ließ, den sie gerade ausgepackt hatte. «O mein Gott!»,
     rief sie und schnappte nach Luft. Als sie sah, dass ich es war, atmete sie erleichtert auf.
    «Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.»
    Sie rang sich ein unsicheres Lächeln ab. Ihr Gesicht sah verheult und gerötet aus.
    «Schon in Ordnung, ich habe Sie nicht gehört. Kyle hat mir geholfen.»
    Der Assistent des Leichenschauhauses sah verlegen, aber zufrieden mit sich aus.
    «Wie geht es Ihnen, Kyle?»
    «Ach, ganz gut.» Er hob die Hand, die er sich mit der Nadel verletzt hatte. «Heilt ziemlich gut.»
    Wenn die Nadel infiziert gewesen war, würde es egal sein, ob die Wunde heilte oder nicht. Aber das wusste er selbst. Wenn
     er den Tapferen spielen wollte, wollte ich es ihm nicht vermiesen.
    «Summer hat mir von Dr.   Lieberman erzählt», sagte er. «Wie geht es ihm?»
    «Sein Zustand ist stabil.» Das klang besser, als zu sagen, sein Zustand habe sich nicht verändert.
    Summer machte ein Gesicht, als würde sie gleich weinen. «Ich wünschte, ich hätte mehr tun können.»
    «Du hast alles getan», versicherte Kyle ihr ernst. «Ich bin sicher, dass er wieder auf die Beine kommt.»
    Summer schenkte ihm ein bebendes Lächeln. Er erwiderte es und erinnerte sich dann daran, dass ich auch noch da war.
    «Äh, ja, ich glaube, ich gehe dann mal lieber. Bis später, Summer.»
    Ihr Lächeln wurde breiter. «Tschüs, Kyle.»
    |236|
Soso
. Vielleicht entwickelte sich aus dieser Sache am Ende wenigstens etwas Gutes.
    Nachdem er gegangen war, packten wir die restlichen Knochen aus. Summer wirkte lustlos und nicht so ausgelassen wie sonst.
    «Kyle hat recht. Es war ein Glück, dass Sie gestern Abend hier waren», sagte ich zu ihr.
    Die Deckenlichter funkelten auf ihren Piercings, als sie den Kopf schüttelte. «Was habe ich denn getan? Ich habe das Gefühl,
     ich hätte mehr machen müssen. Wiederbelebungsversuche oder so.»
    «Sie haben dafür gesorgt, dass er rechtzeitig ins Krankenhaus kam. Und das ist die Hauptsache.»
    «Das hoffe ich. Er wirkte gut aufgelegt, verstehen Sie? Ein bisschen müde vielleicht, aber das war alles. Er hat noch Spaß
     gemacht und gesagt, er würde mich auf eine Pizza einladen, weil er mich so lange arbeiten lässt.» Der Hauch eines Lächelns
     huschte über ihr Gesicht. «Kurz vor zehn hat er gesagt, ich soll nach Hause gehen. Er meinte, er wolle noch etwas überprüfen
     und dann auch Feierabend machen.»
    Das erweckte meine Neugier. «Hat er gesagt, was er überprüfen wollte?»
    «Nein, aber ich habe angenommen, dass es etwas mit der Leiche aus der Hütte zu tun hat. Als ich losging, um mich umzuziehen,
     habe ich von draußen gehört, wie sein Handy geklingelt hat. Kennen Sie seinen kitschigen

Weitere Kostenlose Bücher