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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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erfolgte nicht. Ich glaube, er war selbst noch zu betroffen.
    «Sie können jetzt gehen, Dr.   Hunter.»
    Ein wortkarger TB I-Agent brachte mich zurück zum Hotel, nachdem ich mich umgezogen hatte, doch diese schmerzverzerrten Gesichter verfolgten mich noch,
     als wir durch die dunklen Straßen fuhren. Sie waren auf eine Art verstörend, die schwer zu erklären war. Nicht nur durch das,
     was sie zeigten. Ich hatte den Tod schon in vielen Ausformungen gesehen. Ich hatte an Fällen gearbeitet, wo die Mörder Trophäen
     wie eine Haarlocke oder irgendeinen Kleidungsfetzen von ihren Opfern genommen hatten, perverse Erinnerungsstücke an die Leben,
     die sie zerstört hatten.
    Aber dieser Fall war anders. York war kein durchgedrehter |268| Mörder, der sich im Ausleben irgendwelcher abartiger Neigungen verlor. Er hatte uns die ganze Zeit an der Nase herumgeführt
     und die Ermittlung von Anfang an manipuliert. Selbst für seinen Abgang hatte er den perfekten Zeitpunkt gewählt. Und die Fotografien
     waren keine üblichen Trophäen. Sie waren mit einem Maß an Bedacht und Können aufgenommen worden, das von einer bewussten,
     klinischen Kälte zeugte. Von
Kontrolle
.
    Und das machte sie umso erschreckender.
    Eigentlich hätte ich nicht schon wieder duschen müssen, doch als ich zurück in mein Zimmer kam, tat ich es trotzdem. Nach
     dem Aufenthalt in Yorks Haus fühlte ich mich auf eine Weise schmutzig, die bis unter die Haut ging. Egal, ob es ein symbolischer
     Akt war oder nicht, das heiße Wasser half. So sehr, dass ich fast sofort einschlief, als ich das Licht ausschaltete.
    Kurz vor sechs weckte mich ein penetrantes Klingeln. Noch halb im Schlaf tastete ich nach dem Wecker, bis mir klar wurde,
     dass das Geräusch vom Telefon kam.
    «Hallo?», brummte ich benommen.
    Die letzten Reste des Schlafes fielen von mir, als ich Pauls Stimme hörte.
    «Schlechte Nachrichten, David», sagte er. «Tom ist in der Nacht gestorben.»
     
    Das war haarscharf. Du wusstest, dass es nicht lange dauern
würde, bis das TBI zum Haus kommt, aber du hast es erst in
letzter Minute verlassen. Wenn du zu früh gegangen wärst,
wäre ein großer Teil der Wirkung verloren gegangen. Zu
spät, und   … Tja, dann wäre alles in die Hose gegangen.
    Schade, dass du nicht mehr Zeit gehabt hast. Du hasst es,
wenn du gedrängt wirst und dich beeilen musst, aber es ging
|269|
nicht anders. Du hast immer gewusst, dass es so weit kommen
wird. Das Bestattungsunternehmen hatte seinen Zweck
erfüllt. Du hast alles im Voraus geplant, du wusstest genau,
was du mitnehmen musstest und was zurückbleiben sollte.
Die Aufgabe hatte ein gutes Urteilsvermögen erfordert und
eine gehörige Portion Disziplin. Aber das war in Ordnung.
    Manchmal müssen Opfer gebracht werden.
    Jetzt bist du fast bereit für die nächste Phase. Du musst
nur Geduld haben. Es wird nicht mehr lange dauern. Dir
steht nur noch eine schwierige Aktion bevor, um das letzte
Puzzleteil einzufügen, dann ist das Warten vorbei.
    Zugegeben, dir flattern ein wenig die Nerven, aber das ist
auch gut so. Du darfst nicht selbstzufrieden werden. Wenn
sich die Gelegenheit ergibt, musst du bereit sein, sie zu ergreifen
. Du kannst es dir nicht erlauben, dir solche Chancen
entgehen zu lassen. Das weißt du besser als jeder andere.
    Dafür ist das Leben zu kurz.

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    |270| KAPITEL 17
    Am Ende hatten sich alle Vorkehrungen für Toms Sicherheit als zwecklos erwiesen. Ohne einen Grund zu nennen, hatte man die
     Ärzte und das Pflegepersonal der Uniklinik darauf hingewiesen, besonders wachsam zu sein, außerdem war ein TB I-Agent im Flur vor seinem Zimmer postiert worden. Niemand hätte ohne sein Wissen zu Tom gelangen können, und selbst wenn es jemand
     geschafft hätte, wäre noch Mary da gewesen, die während der ganzen Nacht nicht von seiner Seite gewichen war.
    Keine dieser Maßnahmen hatte verhindern können, dass er um kurz nach vier Uhr am Morgen einen Herzstillstand erlitten hatte.
    Die Ärzte hatten versucht, ihn wiederzubeleben, aber sein Herz hatte sich entschieden geweigert, wieder zu schlagen.
Stur bis zum Ende
. Der Gedanke geisterte mir ziellos durch den Kopf und wollte nicht verschwinden.
    Ich fühlte mich betäubt und konnte noch nicht begreifen, was geschehen war. Nachdem ich mit Paul gesprochen hatte, hatte ich
     Mary angerufen und die üblichen, sinnlosen Worte von mir gegeben. Dann hatte ich auf dem Bett gesessen und nicht mehr gewusst,
     was ich tun sollte. Ich versuchte mir

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