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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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überprüfen es.»
    «Was ist mit Tom? Wenn er mit dem Anruf nach draußen gelockt werden sollte, könnte er noch immer in Gefahr sein.»
    |265| «Danke, dass Sie mich darauf hinweisen», sagte er mit kaltem Sarkasmus. «Ich werde es mir merken.»
    Mir reichte es. Es war spät, und ich war müde. Ich blieb im Flur stehen. «Hören Sie, ich weiß nicht, was Ihr Problem ist,
     aber Sie haben mich gebeten, hierherzukommen. Ist es zu viel verlangt, wenigstens höflich zu sein?»
    Gardner drehte sich um und sah mich finster an. «Ich habe Sie hergebeten, weil ich keine andere Wahl hatte, verdammt. Tom
     hat Sie in diese Ermittlung hineingezogen, nicht ich. Und entschuldigen Sie, wenn Ihnen mein Benehmen nicht gefällt, aber
     ich versuche, einen Serienmörder zu fassen, falls Sie es noch nicht bemerkt haben!»
    «Ja, aber ich bin es nicht!», blaffte ich zurück.
    Wir starrten uns an. Wir standen direkt vor der geöffneten Eingangstür, durch die ich sehen konnte, dass sich die Beamten
     draußen zu uns umgedreht hatten.
    Nach einem Moment holte Gardner tief Luft und schaute zu Boden. Er schien sich zu beruhigen, aber es fiel ihm sichtlich schwer.
    «Zu Ihrer Information, ich habe sofort dafür gesorgt, dass Tom bewacht wird», sagte er mit mühsam kontrollierter Stimme. «Es
     ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Selbst wenn Sie recht haben mit dem Anruf, bezweifle ich, dass der Anrufer irgendetwas unternehmen
     wird, solange Tom in einem Krankenhausbett liegt. Trotzdem werde ich keine Risiken eingehen.»
    Es war zwar nicht gerade eine Entschuldigung, aber ich konnte damit leben. Hauptsache, Tom war geschützt.
    «Danke», sagte ich.
    «Bitte schön.» Ich konnte nicht sagen, ob er witzig sein wollte oder nicht. «Wenn das alles ist, Dr.   Hunter, lasse ich Sie jetzt zurück ins Hotel bringen.»
    |266| Ich wollte hinausgehen, doch ich hatte noch nicht einmal die erste Stufe erreicht, als jemand im Haus Gardner rief.
    «Sir? Sie sollten sich das anschauen.»
    Ein Beamter der Spurensicherung in einem verschmutzten Overall war aus einer Tür am Ende des Flurs gekommen. Gardner warf
     mir einen Blick zu, und ich wusste, was ihm durch den Kopf ging.
    «Warten Sie noch.»
    Er ging den Flur entlang und verschwand durch die Tür. Erst zögerte ich, dann folgte ich ihm. Ich wollte dort nicht wie ein
     Schuljunge vor dem Büro des Rektors stehen, bis Gardner entschied, ob er mich brauchte oder nicht.
    Die Tür führte in die Garage. Die Luft roch nach Öl und Feuchtigkeit. An der Decke brannte eine nackte Birne, deren schwaches
     Glühen von dem grellen Licht einiger Scheinwerfer überstrahlt wurde. Die Garage war genauso vollgestellt wie der Rest des
     Hauses. Am Rand der leeren Betonfläche, auf der Yorks Wagen gestanden hatte, stapelten sich durchhängende Pappkartons, eine
     schimmelige Campingausrüstung und rostige Gartengeräte.
    Gardner und der Beamte der Spurensicherung standen vor einem alten Aktenschrank aus Stahl. Eine der Schubladen war herausgezogen.
    «…   am Boden unter alten Magazinen», sagte der Mann gerade. «Zuerst dachte ich, es wären einfach Fotos, bis ich sie mir genauer
     angeschaut habe.»
    Gardner starrte auf sie hinab. «Mein Gott.»
    Er klang schockiert. Der Beamte der Spurensicherung sagte etwas, aber ich achtete nicht mehr darauf. Mittlerweile konnte ich
     bereits selbst sehen, was er gefunden hatte.
    Es war eine flache, ungefähr DIN-A 3-große Schachtel, wie sie für Fotopapier benutzt wird. Sie war geöffnet, und der |267| Beamte hatte die Handvoll Fotografien aufgefächert, die darin gewesen waren. Es waren schwarzweiße Porträts, Nahaufnahmen
     von den Gesichtern von Männern oder Frauen. Sie waren beinahe auf Lebensgröße vergrößert worden und so gestochen scharf, dass
     man jede einzelne Pore und jeden Makel genau erkennen konnte. Jedes Gesicht war verzerrt und düster, und auf den ersten Blick
     wirkten die Mienen beinahe komisch, so als wären die Personen jeweils einen Sekundenbruchteil vor einem Niesanfall aufgenommen
     worden. Aber nur, bis man ihre Augen sah.
    Dann merkte man, dass die Fotografien alles andere als komisch waren.
    Wir hatten immer vermutet, dass es mehr Opfer gab als diejenigen, von denen wir wussten. Diese Entdeckung bestätigte das.
     Es hatte York nicht gereicht, sie zu Tode zu foltern.
    Er hatte sie auch beim Sterben fotografiert.
    Gardner schien mich erst jetzt zu bemerken. Er warf mir einen durchdringenden Blick zu, doch die Rüge, die ich schon erwartete,
    

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