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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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dorthin gelangt sei, ich schwöre dir, ich weiß es nicht, er gehört bestimmt den Indios, diese Kinder sind eine Plage, gehen in die Häuser, wühlen überall herum, aber da unterbrach Sulamita mich und sagte, immer wenn sie einen Toten im Leichenschauhaus in Empfang nehme, müsse sie unweigerlich daran denken, dass dieses Stück Fleisch Stunden zuvor noch geatmet, dass sein Herz geschlagen, sein Blut pulsiert habe. Es tut mir weh, wenn ich daran denke, dass der Tote vor seinem Tod ein Ziel gehabt hat, sagte sie, eine Reise, ein Haus, ein Kind, jemandem verzeihen, irgendetwas. Man glaubt immer, man könnte seine Träume auf morgen verschieben, man denkt, morgen kümmere ich mich darum, und dann kriegt man eine Kugel in den Kopf, wird von einem Lastwagen überfahren oder das Herz krepiert und zack, ist alles vorbei. Es gibt kein Morgen.Sie sagte noch, an dem Sonntag, an dem ich ihre Eltern kennengelernt hatte, habe sie, als wir alle gemeinsam am Tisch den Fischeintopf gegessen hätten, den ihre Mutter den ganzen Vormittag lang gekocht hatte, vor lauter Glück kaum atmen können. Endlich dachte ich, sagte sie, ich hätte den Mann gefunden, der der Vater meiner Kinder werden würde. Das war ich. Projekt Familie, natürlich. Ich, der Vater. Der Versorger. Mit lauter Verantwortung. Auf einmal, fuhr sie fort, sah ich vor mir eine schöne Zukunft für meine Familie und mich liegen. Da war er, mein Traum, direkt vor meiner Nase, und ich dachte, wir würden ihn wahr machen. Den Traum. Du und ich. Dass ich ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrer Schwester gefallen hatte, hatte ihren Traum nur noch bestätigt. Ich dachte, wir würden Geld sparen, sagte sie, und ein Stück Land im Pantanal kaufen. Ein Haus bauen. Vieh züchten. Und jetzt, sagte sie, macht dieser Slip, dieser dreckige, ordinäre Slip alles kaputt.
    Sulamita war weder schroff noch vorwurfsvoll. Sie war traurig, hilflos, und genau deshalb trafen mich ihre Worte in jener Nacht wie ein Schlag mit voller Wucht, fast konnte ich den Blutgeschmack in meinem Mund spüren. Im Pantanal Vieh züchten, eine Familie – wie Dona Lu und José Beraba, natürlich ohne den toten Sohn –, aber diese Art von solider Ehe, wie sie wirklich nur mit Geld aufgebaut werden kann, Geschäfte, Vieh, eine Zukunft sicher wie eine mathematische Formel, und mit diesen Gedanken im Kopf kniete ich vor Sulamita nieder, verbrannte den Slip mit meinem Feuerzeug und schwor, nie wieder etwas zu tun, das sie verletzen könnte, nichts, sagte ich und bat sie um Verzeihung, sagte, ich wolle das Gleiche wie sie, Hochzeit, Ländereien, Kinder, was du beschließt, ist für mich in Ordnung.
    Ein Mann kann nicht den Rest seines Lebens damit verbringen, mit durchgeknallten Frauen wie Rita zu vögeln.
    In dieser Nacht liebten Sulamita und ich uns anders, ohne die Besessenheit und die Gier, die ich mit Rita erlebte, und erst recht nicht so wie gewohnt, leidenschaftlich und zärtlich, es war wie ein Gründungsakt, etwas Pulsierendes, ich zerteilte sie stoßweise, tauchte ein, drang vor in Richtung eines Verstecks in der Tiefe, einer Grotte, und kehrte zurück an die Oberfläche, stöhnend, glücklich, versank und stieg empor, ganz langsam und doch mit großer Leidenschaft, immer in diesem Rhythmus, bis ich kam.
    Am nächsten Tag suchte ich Moacir auf und sagte, wir lassen das Ding steigen.
    Die Sache ist wie für uns gemacht, erklärte Moacir, weil wir kein Geld haben. Ramírez will keine Kunden. Er will Partner.
    Ich stellte klar, es sei das erste und letzte Mal, dass ich mich auf so etwas einließe. Aber erzähl das bloß nicht Juan, erwiderte Moacir. Wir verdienen die Kohle, und dann steigen wir aus. Ich will mir auch nicht mein Leben versauen. Mir eine ordentliche Werkstatt einrichten, das ist alles, was ich will.
    Ich redete auch mit Sulamita, log, sagte, ich hätte etwas Geld zurückgelegt. Wir tun unsere Ersparnisse zusammen und kaufen ein kleines Stück Land. Für den Anfang, Over.
    Nun fuhren wir durch die schlaglochübersäten Straßen von Puerto Suárez und suchten nach der Kneipe, in der Juan, der Freund von Ramírez, auf uns warten sollte. Ich hatte Dalva angerufen und mitgeteilt, dass ich an diesem Tag nicht arbeiten würde, ich habe Durchfall, hatte ich gesagt. Dalva empfahl mir Wasser mit Maizena, nimm das, dann bist du morgen wieder auf dem Damm.
    Wie geht es ihr?, fragte ich.
    Dona Lu? Sehr schlecht, erwiderte Dalva.
    Mit einem beklommenen Gefühl in der Brust legte ich auf; ich wollte so gerne,

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