Leichendieb
Ramírez, sich mit uns zu unterhalten.
Zu dem Zeitpunkt hatten sie schon den Auspuff von meinem Auto entfernt. Mich packte der Horror, als ich begriff, wiedie Sache laufen sollte: Wir würden nicht zwei Kilo Koks mitnehmen, wie ich mit Moacir vereinbart hatte, sondern zehn. Fünf würde ein anderer Mittelsmann von Ramírez am darauffolgenden Tag abholen, der Rest war für uns. Als Lohn für unsere Arbeit sollten wir vierzig Tage Zeit bekommen, um unsere Schulden zu begleichen.
Ich zog Moacir beiseite. Bis du wahnsinnig geworden?, fragte ich. Das war so nicht verabredet.
Bleib cool, sagte er. Es ist alles in Ordnung.
Ich geriet in Panik.
Ich ging auf die Toilette. Am liebsten wäre ich abgehauen und hätte Moacir und den Wagen in der Bruchbude zurückgelassen, aber Moacir kam hinter mir her, meinst du, ich würde alle, Eliana, meine Kinder, meine Mutter in Gefahr bringen?, fragte er. Denkst du, ich bin verrückt? Glaub mir, sagte er. Es wird gutgehen.
Als Ramírez uns erklärte, wie der Grenzübertritt ablaufen sollte, dachte ich, es könne sich nur um einen Witz handeln. Genauso ist es, sagte er, je weniger ihr wisst, desto besser. Bleibt ganz ruhig. Passiert die Grenze, als wenn nichts wäre.
Und wenn sie uns anhalten? Und wenn sie uns festnehmen?
Das wird nicht passieren, sagte Moacir. Ramírez verbürgt sich dafür.
Auf der Rückfahrt zitterte ich von Kopf bis Fuß. Du bist dir nicht im Geringsten bewusst, was wir hier gerade tun, sagte ich zu Moacir, du bist völlig durchgeknallt und verantwortungslos, so was gibt es bei deinem Stamm nicht, du hältst dich für besonders schlau, aber dabei bist du bloß ein bescheuerter Indio. Er lachte, reg dich nicht auf, schau, da drüben. Er deutete auf Juan, als wir kurz vor dem Grenzübergang waren.Er wird uns helfen, sagte Moacir. Ich sah, wie Juan das Auto abstellte, aus dem das verschreckte Nagetier und der Junge, beide den Bauch voller Drogen, ausstiegen. Juan verschwand.
Wir waren schon im Begriff, den Grenzposten zu passieren, als die beiden Unglücksraben praktisch vor unseren Augen in das Wachhäuschen hineingingen. Zusätzlich zu den schon darin befindlichen Polizisten tauchten sieben weitere auf und umstellten das Pärchen, das in Handschellen gelegt und wer weiß wohin abgeführt wurde.
Uns dagegen durchsuchten sie nicht. Wir kamen problemlos hinüber und sahen zu, wie die beiden aufflogen.
Sobald wir in sicherer Entfernung waren, hielt ich an, du blöder Idiot, brüllte ich und spürte, wie meine Beine zitterten.
Es war alles okay, von Anfang an, sagte Moacir. Ich wusste es.
Was wusstest du?
Ramírez und Juan haben die beiden verpfiffen. Sie machen das immer so. Das ist normal. Sie haben die zwei ausgeliefert, damit wir beide rüber konnten.
Du Sack, sagte ich. Du hast das gewusst?
Ich ließ den Motor an und fuhr los. Du Scheißkerl von einem Indio, sagte ich. Du bist keinen müden Centavo wert.
Den Rest der Fahrt über würdigte ich Moacir keines Blickes. Er begann, eine lange Geschichte zu erzählen, von Ramírez und seinen fünf Geschwistern, er kenne den zweitältesten Bruder von ihm und dass irgendwer verhaftet worden sei. Halt die Klappe, sagte ich, und mach mich nicht noch nervöser, als ich eh schon bin.
13
Was machst du denn hier?, fragte Sulamita, kaum dass ich das Leichenschauhaus betreten hatte. Ich hatte den Eindruck, als würde sie nicht wollen, dass ich sie küsste.
Sulamita hatte mich mehrfach gebeten, nicht dorthin zu kommen, nicht mal, um sie nach der Arbeit abzuholen. Das ist dort nicht wie bei einer Polizeiwache oder einer Behörde, hatte sie gesagt. Manchmal fühle ich mich wie in der Küche vom Satan. Dort, wo der Teufel das Unglück zusammenbraut, arbeite ich. Wir haben eine riesige, verrostete Kühlkammer; jeden Morgen rast mein Herz bei dem bloßen Gedanken, was ich in den Fächern wohl vorfinden werde. Du machst dir keine Vorstellung von dem Geruch, der sich in unserer Kleidung und in unserem Haar festsetzt. Ein Geruch nach verwesendem Fleisch, nach Schwefel, Müll, jeder Gestank, den du dir nur denken kannst. Nur dass er dort noch schlimmer ist, hatte sie gesagt. Ein schleimiger, ranziger Gestank, man kann ihn fast mit den Händen greifen. Ich will nicht, dass du mich dort besuchst. Du nicht, und auch sonst niemand.
An nichts von all dem hatte ich gedacht, als ich beschloss, sie dort zu besuchen. Ich hatte zweimal angerufen, niemand hatte abgenommen. Mir rauchte der Kopf, ich versuchte, mich zu beruhigen, brauchte
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