Leichendieb
ein wenig Trost, so wie Sulamitas bloße Anwesenheit ihn mir gab, und deshalb war ich dort.
Eine Stunde zuvor hatte ich im Bett gelegen und, nervös im Wissen um die zehn Kilo Koks, zugehört, wie Moacir in derWerkstatt mein Auto auseinandernahm, als Rita an meine Tür klopfte. In Shorts, Stiefeln und mit Zöpfen im Haar. Sie hätte sich keinen schlechteren Moment aussuchen können, dachte ich. Rauchend. Mit dem finstersten Gesicht aller Zeiten. Unglaublich, diese Rita. Wollte wissen, was für eine komische Nummer das war, die da zwischen uns lief. Weshalb ich nicht ans Handy ginge. Was habe ich falsch gemacht? Liebst du mich nicht mehr?
Schamlos, diese Rita. Ohne Büstenhalter unter dem T-Shirt und die Nägel in schreiendem Orange lackiert, als wollte sie mich damit in eine Falle locken.
Carlão hat mir erzählt, dass du schwanger bist, sagte ich. Ich weiß alles. Über das Baby, das ihr bekommen werdet. Eine feine Familie, sagte ich. Ich weiß nicht, wie du Carlão das antun kannst. Schwanger und hinter mir herlaufen. Ich sagte ihr auch, dass sie mich anwidere. Spaß zu haben ist das eine, Rita, aber mit Carlão ein Kind zu bekommen, ist etwas anderes.
Das Kind ist von dir, antwortete sie. Völlig unvermittelt. Und dann erklärte sie wirr, sie habe tatsächlich zuerst mit Carlão gesprochen, noch vor mir, obwohl das Kind von mir und nicht von ihm sei, es ist von dir, sagte sie immer wieder, es ist nicht von ihm, es ist wirklich von dir, ich wollte es ihm schonend beibringen, weißt du, es ist nicht von ihm, aber Carlão ist sehr in Ordnung, es ist von dir, weißt du noch, wie er dir geholfen hat, als du total am Ende warst? Als diese Verkäuferin sich deinetwegen umgebracht hat? Ich habe nicht die Absicht, Carlão wehzutun, sagte sie. Und: Wir müssen den Menschen das nicht antun. Sie verletzen. Sulamita hat es auch nicht verdient zu leiden. So bin ich nun mal, ich mag nicht, dass jemand meinetwegen leidet. Und dann, schloss sie, haben wirbeide uns so viel gestritten, ich weiß nicht, was los ist, es ist, als ob wir vom Pech verfolgt würden. Du gehst ja nicht mal ans Telefon, wenn ich anrufe, ich hatte also gar keine Gelegenheit, dir von der Schwangerschaft zu erzählen.
Ich schubste Rita hinaus, ich glaube dir kein Wort, sagte ich, geh und lass mich in Frieden. Aber da klammerte sie sich an meinen Arm und schrie, das Kind sei sehr wohl von mir, du Idiot. Du blöder Idiot, was glaubst du, wer du bist? Ich bekam Angst, dass die Nachbarn es hörten.
Verdammt noch mal, nicht so laut.
Das Kind ist von dir. Krieg das in deinen Schädel. Ich bin in der vierten Woche schwanger. Willst du dich jetzt vor deiner Verantwortung drücken? Glaubst du, du kannst mir ein Kind machen und dann abhauen?
Wir blieben schweigend, nachdenklich, an der Tür meines Zimmers stehen. Unten hämmerte Moacir weiter an meinem Wagen herum.
Woher soll ich wissen, dass du mich nicht anlügst?
Sie lachte müde.
Carlão lügst du dauernd an. Und überhaupt: Wer garantiert mir, dass das Kind nicht doch von Carlão ist? Oder von wem auch immer? Wie viele Typen hast du, Rita?
Da versetzte sie mir eine Ohrfeige. Ich dachte sofort an meine Verkäuferin, die sich umgebracht hatte. Nicht jeder hat das Zeug, solch eine Ohrfeige wegzustecken. Ich werde dir die Wahrheit sagen, erklärte Rita. Das Kind ist nicht von dir, niemals würde ich mit einem Schwachkopf wie dir ein Kind bekommen.
Auf diese Kehrtwendung war ich nicht gefasst. Ich sah zu, wie Rita ging, kühl, die Treppe hinunter, wütend, ich wusstenicht, ob ich schreien, hinterherlaufen, sie an den Haaren ziehen, mit voller Wucht die Tür zuknallen sollte, mir war gleichzeitig danach, mich auf sie zu stürzen und sie um Entschuldigung zu bitten. Sie zu schlagen und alles zurückzunehmen. Deswegen war ich zu Sulamita gefahren.
War es falsch herzukommen?, fragte ich.
Ich versuchte, sie in den Arm zu nehmen, doch sie entzog sich.
Was ist?
Dieser Geruch, sagte sie. Ich habe es dir schon erklärt. Ich kriege so einen komischen Geruch, wenn ich hier bin. Riechst du?
Riecht nach Shampoo, sagte ich, nachdem ich an ihrem Haar geschnuppert hatte.
Wirklich?
Klar, du riechst gut wie immer, wiederholte ich. Aber es war gelogen. Alles dort, einschließlich Sulamita, verströmte einen Übelkeit erregenden Geruch nach Verwesung.
Sie lächelte. Willst du mal was sehen?
Sie nahm mich bei der Hand und führte mich in den Obduktionssaal hinein, einen riesigen, mit Fliesen gekachelten Raum, die
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