Leichenfresser - Thriller
dafür da, dass sie nicht reinkommen kann. Früher kam sie oft rein, wenn ich schlief. Ich bin dann aufgewacht und da stand sie im Mondlicht, manchmal nackt. Ein paar Mal hat sie so’n Zeug wie die Frauen auf den Faltpostern aus den Zeitschriften getragen. Oder schlimmer noch, manchmal lag sie auch schon im Bett bei mir. Unter der Decke, wo sie ... Sachen mit mir gemacht hat.«
Timmy nickte. Ihm war speiübel. Er stellte sich vor, wie Carol Keiser die Dinge tat, die Doug beschrieb, und wünschte sich sofort, er hätte es nicht getan.
»Ich musste ihr immer versprechen, nichts davon zu erzählen. Es sei unser Geheimnis, hat sie gesagt, weil es sonst niemand verstehen wird, und wenn ich es doch jemandem verrate, dann würde mein Dad vielleicht nie zurückkommen oder man wird mir sie auch noch wegnehmen.«
»Und was hast du gemacht?«
»Was konnte ich schon tun? Ich hab gar nichts gemacht. Ich hab nur da gelegen und ... es ertragen.«
»Großer Gott.«
»Wenn es vorbei war, ist sie manchmal zurück in ihr Zimmer oder ins Wohnzimmer gegangen. Einige Male ist sie auch bewusstlos geworden. In meinem Bett. So betrunken war sie. Ein paarmal hat sie mich mit dem Namen meines Dads angeredet, einmal mit dem von jemand anderem.«
»Von wem?«
»Jemanden, den ich nicht kenne. Irgendein Kerl. Harry. Wer weiß? Könnte ein früherer Freund von ihr gewesen sein, oder vielleicht hat sie meinen Dad auch betrogen.«
Oder vielleicht, dachte Timmy, war es ein anderer Junge. Jemand wie du, Doug. Immerhin war sie Schulkrankenpflegerin an einer Privatschule für Knaben .
Doug stand auf und holte sich ein Taschentuch aus dem Karton auf Timmys Kommode. Er putzte sich die Nase und setzte sich wieder. Seine Hände kneteten das zerknüllte Taschentuch, rollten es hin und her, kneteten es weiter, rollten es wieder.
»Ein paarmal«, fuhr er fort, »hat sie gemeint, ich sollte euch öfter bei mir übernachten lassen. Barry und dich. Sie hat gesagt, wenn ich euch davon überzeuge und ihr versprecht, nichts zu erzählen, würde sie euch auch Dinge mit ihr machen lassen. Sie anfassen und ... so was eben. Ich hab euch nie was davon gesagt, weil ich Angst hatte, ihr würdet es vielleicht jemandem verraten oder ...« Er verstummte und schüttelte den Kopf.
»Oder was, Doug?«
»Nichts.«
»Komm schon, Mann. Du kannst es mir ruhig sagen. Jetzt hast du mir schon so viel erzählt.«
»Und das hätte ich nicht tun sollen. Du darfst es niemandem weitersagen, Timmy. Keiner Menschenseele.«
»Ich werd’ nichts sagen. Was hast du geglaubt, was Barry und ich vielleicht tun?«
»Versprichst du, nicht sauer zu werden?«
»Klar. Ich versprech’s.«
»Du musst es schwören, Timmy. Bei allem, was dir heilig ist. Stein und Bein.«
Trotz des traumatischen Geständnisses seines Freundes musste Timmy kichern.
»Und auch noch bei meinem Leben, wenn wir schon dabei sind? Jetzt komm, Doug, wir sind doch nicht mehr im Kindergarten. Ich hab’s dir schon versprochen. Und ich schwör’s bei allem, was mir heilig ist.«
Doug leckte sich nervös über die Lippen. »Ich ... ich hatte Angst, dass ihr es vielleicht tun könntet.«
»Oh Mann! Du hast gedacht, wir würden’s mit deiner Ma treiben? Herrje, ist das krank.«
»Red nicht so laut.« Doug streckte den Arm aus und legte Timmy eine verschwitzte Hand auf den Mund. »Du weckst noch deine Eltern auf.«
Er schob Timmys Hand fort und hob mahnend zur Erinnerung einen Finger an die Lippen. Vor dem Fenster zuckte ein bläulicher Blitz über den Himmel und ließ die Nacht einen Lidschlag lang taghell werden.
»Tut mir leid«, sagte Timmy. »Aber echt, Mann, ich meine ... wie konntest du so was über uns denken? Das würden wir dir nie antun. Ist ja widerlich. Das wär, als würde man’s mit dieser Jane Fonda treiben, die Mr. Messinger vom Zeitungskiosk für so heiß hält. Ja, war sie vielleicht mal ... vor 30 Jahren. Eklig! Deine Ma ist ... alt. Und sie ist deine Ma, um Himmels willen.«
»Ich weiß, ich weiß«, flüsterte Doug verschämt. »Aber ich war ... eifersüchtig, schätze ich. Schon klar, dass sich das seltsam anhört, ich meine, bei all dem, was sie mit mir gemacht hat und so. Aber trotz allem ist sie immer noch meine Mutter. Ich will immer noch, dass sie mich liebt. Nur eben nicht auf die Weise. Ich dachte, wenn ihr’s mit ihr treibt, dann liebt sie mich überhaupt nicht mehr.«
Er begann wieder zu weinen. Timmy hockte voll verdutzter, stummer Ungläubigkeit – und Verzweiflung – da.
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