Leichenfresser - Thriller
Was Dougs Ma mit ihm tat, war widerwärtig. Aber so krank und falsch es sein mochte, ein Teil von Doug liebte seine Mutter trotzdem. Die Angst, dass sie ihn verlassen könnte, überwog die abscheulichen Sachen, die sie mit ihm anstellte.
»Es war schön«, sagte Doug, »heute Abend hier zu sein, mit deiner Ma und deinem Dad. Hamburger zu essen, Spiele zu spielen, Filme zu sehen – es hat sich so echt angefühlt. So, wie sich eine richtige Familie anfühlen muss, verstehst du? Ich wünschte, ich hätte das auch.«
Timmy nickte.
»Du hast echt Glück, Timmy. Ich weiß, du bist immer noch traurig wegen deinem Großvater und ich weiß, dass du manchmal Streit mit deinen Eltern hast, aber du weißt gar nicht, wie gut du’s hast. Du solltest dankbar sein, Kumpel.«
»Bin ich«, erwiderte Timmy. »Glaub mir, das bin ich.«
»Ich will morgen nicht nach Hause gehen. Ich wünschte, ich könnte hierbleiben.«
»Hör mal, wenn wir morgen früh aufstehen, könnten wir doch mit meinen Eltern reden. Vielleicht können wir ...«
»Nein!« Dougs Aufschrei ging in einem Donnerschlag unter, dennoch verstummten sie beide und lauschten, ob er Timmys Eltern geweckt hatte.
»Nein«, wiederholte Doug, diesmal im Flüsterton. »Du hast versprochen, niemandem was davon zu sagen. Das kannst du nicht. Niemand sonst darf es je erfahren. Nicht mal Barry.«
Timmy fühlte sich innerlich zerrissen. Einerseits wollte er seinen Eltern davon erzählen. Diese Angelegenheit schien zu groß zu sein, um sie zu verschweigen. Seine Eltern wären in der Lage, zu helfen.
Er sorgte sich um Doug – darum, was es ihm emotional antun könnte. Offensichtlich hatte es bereits Auswirkungen auf ihn. Vielleicht würden seine Eltern Doug bei ihnen bleiben lassen.
Aber andererseits hatte er seinem Freund gegenüber ein Versprechen abgegeben, das er nicht brechen konnte. Er wollte nicht, dass Doug sauer auf ihn wurde.
Während er mit diesen widerstreitenden Gefühlen rang, entschuldigte sich Doug und schlich über den Flur ins Badezimmer. Timmy hörte, wie er Wasser ins Waschbecken einließ. Seine Mutter schnarchte leise, sein Vater furzte im Schlaf. Wieder zuckte ein Blitz, aber die Wucht des Unwetters schien nachzulassen. Der Regen verflachte zu einem Nieseln, und der Donner hörte sich mittlerweile entfernt an, gedämpft.
Doug kam ins Zimmer zurück und versuchte, zu lächeln. Er schloss die Tür hinter sich.
»Tut mir leid. Ich bin jetzt fertig mit Weinen.«
Er setzte sich und Timmy drückte ihm ein letztes Mal die Schulter.
»Es kommt alles wieder in Ordnung, Doug. Du wirst schon sehen. Es kommt alles wieder in Ordnung.« Aber tief in seinem Herzen wusste Timmy, dass nichts je wieder in Ordnung sein würde.
Eine lange Zeit verstrich, bis der Morgen dämmerte, und Timmy lag immer noch wach, als die ersten Strahlen der Sonne über den Horizont krochen.
Neun
Als sie am nächsten Morgen zum Frühstücken aufstanden, bemerkten sie überrascht, dass Timmys Vater noch nicht zur Arbeit aufgebrochen war. Sein Wagen stand noch in der Auffahrt und sie hörten ihn in leisem, ernstem Tonfall mit Timmys Mutter reden. Timmys erster Gedanke bestand darin, dass jemand anderes aus der Familie gestorben sein könnte, etwa eine seiner Tanten oder einer seiner Onkel. Als Zweites vermutete er, sein Vater könnte krank sein. Falls das zutraf, musste es sich um etwas Ernstes handeln. Randy Graco war schon mit Grippe und hohem Fieber zur Arbeit gegangen. Sogar als er sich bei der Wildjagd vor vier Jahren das Bein gebrochen hatte, war er jeden Tag in die Papierfabrik gefahren. Schlichte Krankheiten hielten ihn nicht davon ab, dafür zu sorgen, dass etwas zu essen auf dem Tisch landete.
»Ich frage mich, was los ist«, meinte Timmy. Doug erwiderte nichts. Er war schweigsam und reserviert aufgewacht, und Timmy überlegte, ob er es bedauerte, die Wahrheit darüber erzählt zu haben, was sich zwischen seiner Mutter und ihm abspielte.
»Alles in Ordnung, Doug?«
»Hab nicht allzu gut geschlafen.«
»Ja, ich auch nicht.« Timmy kramte ein sauberes Paar Socken aus seiner obersten Kommodenschublade hervor.
»Hör mal, wegen letzter Nacht ...«
»Lass uns jetzt nicht darüber reden.«
Nachdem sie sich angezogen hatten, gingen die Jungen ins Wohnzimmer und Timmy bemerkte auf Anhieb die verkniffenen Mienen in den Gesichtern seiner Eltern. Sein Vater wirkte geschockt, seine Mutter war blass. Zuerst fürchtete er, sie könnten Dougs spätnächtliche Beichte gehört haben, dann
Weitere Kostenlose Bücher