Leichenfund - Killer Heat
genauso oft mit Sexualsadisten zu tun wie ich, Ms Cooper. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass da noch etwas anderes eine Rolle spielt?«
Ich strich die Haare zur Seite, die sich in der schwülen Luft um meine Stirn kräuselten. »Ja, natürlich.«
»In der Medizin weiß man seit mehr als einem Jahrhundert darüber Bescheid«, sagte Kallin. »Ich rede von Krafft-Ebing und seiner Sadismusdefinition.«
»Die Empfindung von sexuellem Lustgefühl bis zum Orgasmus, hervorgerufen durch grausame Handlungen«, sagte ich. »Das DSM hat bis heute noch keine bessere Definition gefunden.«
Mike fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
»Wenn Sie mich fragen, macht es Troy Rasheed ganz einfach Spaß, Frauen wehzutun«, sagte Kallin. »Es ist eins der wenigen Dinge in seinem Leben, die ihm Vergnügen bereiten, und er hat sich viele Jahre lang darauf freuen können, dieses Gefühl wieder zu erleben.«
Sie verließ die Küche und kam kurz darauf mit einem Notizbuch zurück. »Ich habe mein eigenes ›Who’s Who‹ gesammelt, Ms Cooper. Die jungen Therapeuten müssen heutzutage so viele neue Täter studieren, dass sie nicht einmal über die Geschichte dieser Verbrechen Bescheid wissen. Sagt Ihnen der Name Gilles de Rais etwas?«
»Ein französischer Aristokrat aus dem fünfzehnten Jahrhundert, der Kinder entführte, folterte und ermordete«, sagte ich. Genau wie Kallin recherchierte auch ich seit über zehn Jahren diese Verbrechen, um die Beweggründe dieser Monster zu verstehen.
»Hunderte von Kindern. Nur zu seinem Vergnügen und körperlichen Lustgewinn, wie er es selbst beschrieb. Seine ›unaussprechliche Lust‹, um ihn wörtlich zu zitieren.« Sie blätterte um. »Vincenz Verzeni?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ein Italiener, neunzehntes Jahrhundert. Eigenartig, dass er Ihnen noch nicht untergekommen ist. Er hat seine Opfer vergewaltigt und verstümmelt. Er beschrieb sein ungeheures Vergnügen beim Erdrosseln von Frauen und die Erektionen, die er dabei hatte.«
Nelly Kallin klappte ihr Notizbuch zu und legte es auf einen der Aktenstapel. »Therapeuten verbringen unverhältnismäßig viel Zeit damit, die Motive zu analysieren und nach Gründen zu suchen, warum diese Männer so schreckliche Verbrechen begehen. Dabei geht es oft einzig und allein nur darum, dass es ihnen gefällt und sie Lustgewinn aus ihrem sadistischen Verhalten ziehen. Unsereins kann sich das nicht annähernd vorstellen.«
Die Stimmen vor dem Fenster kamen näher. Es klang, als würden Leute auf dem Weg neben dem Haus entlanglaufen und miteinander streiten.
Mercer stand auf, aber Nelly Kallin hielt ihn am Arm zurück. »Schon gut, Mr Wallace. Es ist alles in Ordnung.«
In dem Moment flog etwas durch das Küchenfenster und ich sprang erschrocken auf, als die Scheibe hinter mir zu Bruch ging.
41
Nelly Kallin ließ sich von dem Baseball, der wie eine Rakete durch die Fensterscheibe geflogen kam, kein bisschen aus der Fassung bringen. Die dreizehnjährigen Nachbarszwillinge waren übers Wochenende vom Ferienlager nach Hause gekommen, und sie erzählte uns gutmütig, dass sie die Scheibe nicht zum ersten Mal ersetzen müsse.
Mercer öffnete den Kindern, die sich für das Missgeschick entschuldigen wollten, die Tür.
Mike begutachtete meinen Hinterkopf und meinen Rücken, um sich zu vergewissern, dass ich nicht verletzt war. »Du zitterst ja. Du bist wirklich angespannt, Coop.«
»Ich bin nur übermüdet. Und besorgt wegen Kerry. Und ich habe Todesangst, weil da draußen ein Mörder frei herumläuft.«
Mike massierte meine Schultern und meinen Nacken. »Dann ist es ja nur eine Frage der Zeit, bis du grillig wirst und deine schlechte Laune an mir auslässt.«
»Du wirst mich jedenfalls nicht mehr los, bis wir Troy Rasheed gefunden haben. Und Kiernan Dylan.«
Nelly Kallin schickte die beiden Jungs nach Hause, und Mike blies zum Aufbruch. Wir warteten noch zehn Minuten, damit Kallin nach oben gehen und ihre Tasche packen konnte, und fuhren dann alle zur gleichen Zeit ab.
»Willst du es zuerst bei Wilson Rasheeds Adresse in Newark versuchen?«, fragte Mike.
»Ja.« Mercer sah auf den Zettel, den Mike ihm reichte. »Kennst du die Straße? Sie ist nicht weit vom Bahnhof.«
In Manhattan gingen viele Verbrechen auf das Konto von Tätern aus New Jersey, und so kannten sich die meisten Cops in beiden Revieren gut aus. Wir brauchten eine Viertelstunde bis zu dem dreistöckigen Reihenhaus in einem noch unsanierten Viertel der Altstadt, in der anscheinend
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