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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wieder das Handtuch. »Setzen Sie die Morphiumgaben fort«, sagte er leise. »Versuchen Sie Ihre Beschwerden zu lindern.« Er hätte sie ebenso gut gleich für tot erklären können.
    Bett für Bett, Patientin für Patientin, arbeitete Dr. Crouch sich vor. Als er schließlich an Aurnias Bett trat, war das Tuch, mit dem er sich jedes Mal die Hände abgewischt hatte, mit Blut getränkt.
    Rose stand auf, um ihn zu begrüßen. »Dr. Crouch.«
    Er sah sie stirnrunzelnd an. »Sie sind Miss …«
    »Connolly«, sagte Rose, und sie fragte sich, wie es sein konnte, dass dieser Mann sich nicht an ihren Namen erinnerte. Sie war es gewesen, die ihn in das Logierhaus gerufen hatte, wo Aurnia einen Tag und eine Nacht in den Wehen gelegen hatte, ohne dass sich etwas tat. Rose hatte bei jedem von Crouchs Besuchen am Bett ihrer Schwester gesessen, doch stets hatte er sie so verwirrt angeschaut, als sähe er sie zum ersten Mal. Allerdings sah er Rose auch nicht wirklich an ; sie war nur eine unbedeutende Weibsperson, die keinen zweiten Blick wert war.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit Schwester Poole zu. »Und welche Fortschritte macht diese Patientin?«
    »Ich glaube, die tägliche Dosis Abführmittel, die Sie ihr
gestern Abend verschrieben haben, hat die Qualität ihrer Wehen verbessert. Aber sie hat sich nicht an Ihre Anweisung gehalten, aus dem Bett aufzustehen und im Saal umherzugehen.«
    Rose starrte Schwester Poole an; nur mit Mühe konnte sie ihre Zunge im Zaum halten. Im Saal umhergehen? Hatten sie denn alle den Verstand verloren? Über die letzten fünf Tage hatte Rose mit angesehen, wie Aurnia immer schwächer geworden war. Miss Poole musste doch erkennen, dass Roses Schwester sich kaum noch aufsetzen konnte, geschweige denn gehen. Aber die Schwester sah Aurnia überhaupt nicht an; ihr ehrfürchtiger Blick ruhte auf Dr. Crouch, der nun die Hand unter die Bettdecke schob. Als er den Geburtskanal untersuchte, stöhnte Aurnia so gequält auf, dass Rose sich beherrschen musste, um ihn nicht von ihr fortzuzerren.
    Er richtete sich auf und sah Schwester Poole an. »Die Fruchtblase ist zwar geplatzt, aber der Muttermund ist noch nicht gänzlich geöffnet.« Er trocknete seine Hand an dem verschmierten Handtuch ab. »Der wievielte Tag ist es?«
    »Heute ist der fünfte«, antwortete Schwester Poole.
    »Dann ist es vielleicht Zeit für eine weitere Dosis Mutterkorn.« Er griff nach Aurnias Handgelenk und fühlte ihren Puls. »Ihr Herzschlag ist beschleunigt. Und sie macht heute einen etwas fiebrigen Eindruck. Ein Aderlass dürfte den Organismus abkühlen.«
    Schwester Poole nickte. »Ich hole die …«
    »Sie haben Sie schon genug zur Ader gelassen«, fuhr Rose dazwischen.
    Alles verstummte. Dr. Crouch blickte sichtlich verblüfft zu ihr auf. »Wie sind Sie noch mal mit ihr verwandt?«
    »Ich bin ihre Schwester. Ich war hier, als Sie sie das erste Mal zur Ader gelassen haben, Dr. Crouch. Und beim zweiten Mal und beim dritten Mal auch.«
    »Und Sie können sehen, wie gut es ihr getan hat«, sagte Schwester Poole.
    »Ich kann Ihnen sagen, dass es ihr nicht gutgetan hat.«

    »Weil Sie keine medizinische Ausbildung haben, Kind! Sie wissen nicht, worauf Sie achten müssen.«
    »Wünschen Sie nun, dass ich sie behandle, oder nicht?«, fragte Dr. Crouch gereizt.
    »Doch, Sir, aber Sie sollen sie nicht ausbluten!«
    Schwester Poole sagte mit eisiger Stimme: »Entweder Sie sind jetzt still, Miss Connolly, oder Sie verlassen die Station! Und lassen Sie den Doktor tun, was notwendig ist.«
    »Ich habe heute ohnehin keine Zeit, sie zur Ader zu lassen.« Dr. Crouch sah demonstrativ auf seine Taschenuhr. »Ich habe in einer Stunde einen Termin, und danach muss ich meine Vorlesung vorbereiten. Ich werde gleich morgen früh noch einmal nach der Patientin sehen. Vielleicht wird bis dahin auch Miss, äh …«
    »Connolly«, sagte Rose.
    »Vielleicht wird bis dahin auch Miss Connolly eingesehen haben, dass eine weitere Behandlung tatsächlich notwendig ist.« Er klappte die Uhr zu. »Meine Herren, wir sehen uns zur Morgenvorlesung um Punkt neun Uhr. Gute Nacht.« Er nickte und wandte sich zum Gehen. Als er davonstolzierte, folgten ihm die vier Medizinstudenten wie gehorsame Entlein.
    Rose lief ihnen nach. »Sir? Mr. Marshall, nicht wahr?«
    Der größte der Studenten drehte sich um. Es war der dunkelhaarige junge Mann, der zuvor bezweifelt hatte, dass es klug sei, eine Frau in den Wehen zur Ader zu lassen; der Student, der gesagt hatte, er sei auf

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