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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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gegenüber. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich vieles zu berücksichtigen hatte.«
    »O ja. Ihre Zukunft .«
    Er seufzte, und es klang so resigniert, dass er ihr beinahe leid tat. »Ich habe keine Zukunft. Nicht mehr.«

    »Und wie kann ich das ändern?«
    »Worauf es jetzt ankommt«, warf Wendell ein, »ist, dass wir die Wahrheit herausfinden.«
    »Die Wahrheit interessiert nur diejenigen, die zu Unrecht beschuldigt werden«, meinte sie. »Allen anderen ist sie gleichgültig.«
    »Mir nicht«, beharrte Wendell. »Mary Robinson und Dr. Berry wäre sie auch nicht gleichgültig gewesen. Und den künftigen Opfern des Mörders ist sie ganz gewiss nicht gleichgültig.« Er kam auf sie zu, und der Blick, mit dem er sie fixierte, war so durchdringend, dass sie das Gefühl hatte, er könne ihre Gedanken lesen. »Erzählen Sie uns von Ihrer Nichte, Rose. Von dem kleinen Mädchen, nach dem alle suchen.«
    Im ersten Moment erwiderte sie nichts, während sie überlegte, wie weit sie Oliver Wendell Holmes vertrauen könnte. Dann kam sie zu dem Schluss, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu vertrauen. Sie wusste nicht mehr ein noch aus, und inzwischen war sie beinahe ohnmächtig vor Hunger.
    »Ich werde Ihnen alles erzählen«, sagte sie. »Aber zuerst...« Sie sah Norris an. »Sie sagten, Sie hätten mir etwas zu essen mitgebracht.«
     
    Sie aß, während sie die Geschichte erzählte, und unterbrach sich immer wieder, um in ein Hühnerbein zu beißen oder sich ein Stück Brot in den Mund zu stopfen. Das war vielleicht nicht die Art, wie die feinen Ladys speisten, aber dieses Mahl wurde ja auch nicht auf erlesenem Porzellan und mit Silberbesteck serviert. Zuletzt hatte sie an diesem Morgen etwas gegessen – ein vertrocknetes Stück Räuchermakrele, das der Fischhändler eigentlich seiner Katze geben wollte, bevor er es aus Mitleid Rose überlassen hatte. Die paar Münzen, die Norris ihr am Morgen dagelassen hatte, waren nicht etwa gegen eine Mahlzeit für sie selbst eingetauscht worden. Stattdessen hatte sie Billy das Geld in die Hand gedrückt und ihm aufgetragen, es Hepzibah zu bringen.

    Wenigstens für eine weitere Woche würde die kleine Meggie nicht hungern müssen.
    Und jetzt, zum ersten Mal seit Tagen, konnte sie selbst sich so richtig satt essen. Und das tat sie auch; sie schlang das Fleisch mitsamt dem Knorpel hinunter, saugte das Mark heraus und ließ nur einen Berg zerbrochener, fein säuberlich abgenagter Hühnerknochen übrig.
    »Sie haben also wirklich keine Ahnung, wer der Vater des Kindes Ihrer Schwester sein könnte?«, fragte Wendell.
    »Aurnia hat mir nichts gesagt. Allerdings deutete sie an...«
    »Ja?«
    Rose hielt inne und legte das Brot hin, während ihr die Erinnerung die Kehle zuschnürte. »Sie bat mich, einen Priester zu holen, der ihr die Letzte Ölung spenden sollte. Es war ihr so wichtig, aber ich habe es immer wieder hinausgeschoben. Ich wollte nicht, dass sie aufhört zu kämpfen. Ich wollte, dass sie lebt.«
    »Und sie wollte ihre Sünden beichten.«
    »Die Scham hat sie daran gehindert, es mir anzuvertrauen«, sagte Rose leise.
    »Und so weiß nun niemand, wer der Vater des Kindes ist.«
    »Bis auf Mr. Gareth Wilson.«
    »Ah, der geheimnisvolle Anwalt. Dürfte ich die Karte sehen, die er Ihnen gegeben hat?«
    Sie wischte sich das Fett von den Händen und griff in die Tasche, um Gareth Wilsons Visitenkarte hervorzuholen und sie Wendell zu reichen.
    »Er wohnt in der Park Street. Eine beeindruckende Adresse«, meinte Wendell.
    »Eine feine Adresse macht ihn noch nicht zu einem feinen Herrn.«
    »Sie trauen ihm nicht über den Weg, nicht wahr?«
    »Schauen Sie sich doch an, mit welchem Abschaum er verkehrt.«
    »Sie meinen Mr. Tate?«
    »Er hat Eben benutzt, um mich zu finden. Damit ist Mr.
Wilson keinen Deut besser als er, noble Adresse hin oder her.«
    »Hat er irgendetwas darüber gesagt, wer sein Auftraggeber sein könnte?«
    »Nein.«
    »Weiß Ihr Schwager es möglicherweise?«
    »Eben? Der weiß doch gar nichts, dieser Narr. Und Mr. Wilson wäre ein noch größerer Narr, wenn er es ihm sagte.«
    »Ich glaube, dieser Mr. Gareth Wilson ist ganz und gar kein Narr«, sagte Wendell und warf noch einmal einen Blick auf die Adresse. »Haben Sie irgendetwas davon der Nachtwache erzählt?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist nutzlos, mit Mr. Pratt zu sprechen.« Ihr verächtlicher Ton machte unmissverständlich klar, was sie von dem Mann hielt.
    Wendell lächelte. »Da muss ich

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