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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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auf Wendell; das Pferd war schneller, wenn es nur einen Mann zu ziehen hatte. Er ließ die Peitsche knallen, und das Pferd galoppierte los.
    »Warte!«, rief Wendell und setzte ihm nach.
    Aber Norris schwang die Peitsche nur noch wilder.
     
    Die Kutsche hielt an.
    Rose, eingezwängt in einer Ecke am Boden, halb erdrückt von Billys Leiche, spürte ihre Beine nicht mehr. Sie waren taub und versagten den Dienst, tote Gliedmaßen, die ebenso gut Billy hätten gehören können. Sie hörte, wie der Schlag geöffnet wurde, und fühlte das Schwanken der Kutsche, als Eliza auf der Brücke ausstieg.
    »Warten Sie«, warnte Burke sie. »Da kommt jemand.«
    Rose vernahm das stete Getrappel eines Pferdes, das über die Brücke kam. Was würde der Reiter wohl denken, wenn er an der Kutsche vorbeikam, die dort am Brückengeländer hielt? Würde er einen Blick auf den Mann und die Frau werfen, die dort standen und aufs Wasser hinausblickten? Würde er denken, dass Eliza und Burke ein Liebespaar waren, das
sich diese einsame Brücke für ein heimliches Stelldichein erwählt hatte? Billys Hund fing an zu bellen, und sie hörte ihn an der Kutsche kratzen, in der sein toter Herr lag. Würde dem Reiter dieses merkwürdige Detail auffallen? Der Hund, der bellend an der Kutsche hochsprang, während das Paar ihn einfach ignorierte und seelenruhig mit dem Rücken zu ihm auf den Fluß blickte?
    Sie versuchte um Hilfe zu schreien, doch sie konnte nicht tief einatmen, und das schwere Wachstuch, das über sie und Billy gebreitet war, dämpfte ihre Stimme. Und der Hund, dieser furchtbare Kläffer, bellte und kratzte weiter ohne Unterlass und übertönte ihr schwaches Rufen. Sie hörte das Pferd vorübertrotten, dann verhallte das Hufgetrappel, der Reiter entfernte sich, ohne zu ahnen, dass seine Unachtsamkeit gerade eine Frau zum Tod verurteilt hat.
    Der Schlag wurde aufgerissen.
    »Verdammt – wusste ich doch, dass ich etwas gehört hatte. Das Mädchen lebt noch!«, sagte Eliza.
    Das Wachstuch wurde weggezogen. Der Mann packte Billys Leiche und rollte sie aus der Kutsche. In diesem Moment schnappte Rose nach Luft und schrie. Sofort legte sich eine kräftige Hand auf ihren Mund und erstickte ihren Schrei.
    »Geben Sie mir das Messer«, sagte Burke zu Eliza. »Ich bring sie zum Schweigen.«
    »Kein Blut in der Kutsche! Werfen Sie sie nur schnell ins Wasser, bevor noch jemand kommt!«
    »Was ist, wenn sie schwimmen kann?«
    Seine Frage wurde durch das plötzliche Geräusch von reißendem Stoff beantwortet. Eliza hatte begonnen, Roses Unterrock in Streifen zu reißen. Mit brutaler Zielstrebigkeit band sie Roses Fußgelenke zusammen. Ein Stoffballen wurde Rose in den Mund gestopft, und dann fesselte der Mann ihre Hände.
    Das Gebell des Hundes steigerte sich zur Raserei. Er lief jetzt jaulend um die Kutsche herum, doch es gelang ihm immer, den Tritten der beiden im letzten Moment auszuweichen.

    »Werfen Sie sie rein«, sagte Eliza. »Bevor der verdammte Köter noch die ganze Nachbarschaft...« Sie brach ab. »Da kommt wieder jemand.«
    »Wo?«
    »Machen Sie schnell, bevor sie uns sehen!«
    Rose schluchzte auf, als der Mann sie aus der Kutsche hievte. Sie wand sich in seinen Armen, und ihr Haar peitschte ihm ins Gesicht, als sie sich verzweifelt aus seiner Umklammerung zu befreien suchte. Doch seine Arme waren zu stark, und es war zu spät für irgendwelche Zweifel, die ihn von seinem Tun hätten abbringen können. Als er sie zum Geländer trug, erhaschte Rose einen Blick auf Billy. Er lag tot neben der Kutsche, neben ihm kauerte sein Hund. Sie sah Eliza, das Haar wirr und vom Wind zerzaust. Und sie sah ein Stück des Himmels, die Sterne, deren Licht von einem Rauchschleier getrübt war.
    Dann fiel sie.

35
    Norris hörte das Platschen bis zum Lechmore Point. Er konnte nicht sehen, was da gerade ins Wasser gefallen war, doch er erspähte die Kutsche, die auf der Brücke hielt. Und er hörte einen Hund heulen.
    Als er näher kam, sah er die Leiche des Jungen ausgestreckt neben dem Hinterrad der Kutsche liegen. Ein schwarzer Hund kauerte daneben; er fletschte die Zähne und wehrte knurrend den Mann und die Frau ab, die sich dem Toten zu nähern versuchten. Das ist Billys Hund.
    »Wir konnten das Pferd nicht mehr rechtzeitig anhalten!«, rief die Frau. »Es war ein schrecklicher Unfall! Der Junge ist uns direkt vor die Kutsche gelaufen, und...« Sie brach ab und riss die Augen auf, als sie Norris absteigen sah. »Mr. Marshall?«
    Norris riss den

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