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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Wagenschlag auf, konnte aber Rose nirgends entdecken. Auf dem Boden lag ein Stofffetzen. Er hob ihn auf. Vom Unterrock einer Frau.
    Er wandte sich zu Eliza um, die ihn stumm anstarrte. »Wo ist Rose?«, fragte er. Sein Blick ging zu Schielaugen-Jack, der schon zurückwich, im Begriff zu fliehen.
    Dieses Platschen. Sie hatten etwas ins Wasser geworfen.
    Norris rannte zum Geländer und starrte in den Fluss. Er sah die gekräuselte Wasseroberfläche, die im Mondlicht silbrig glänzte. Und plötzlich erzitterte, als etwas aus der Tiefe auftauchte und gleich wieder versank.
    Rose.
    Er kletterte über das Geländer. Schon einmal war er in den Charles River gesprungen. Damals hatte er sein Schicksal bereitwillig den Launen der Vorsehung überantwortet. Aber diesmal war er entschlossen, es selbst in die Hand zu nehmen.
Als er sich von der Brücke abstieß, streckte er die Arme weit aus, als wollte er seine letzte Chance auf das Glück ergreifen. Das Wasser, in das er eintauchte, war so eiskalt, dass der Schock ihn unwillkürlich nach Luft schnappen ließ. Hustend kam er an die Oberfläche, aber nur so lange, bis er einige Male tief ein- und ausgeatmet und seine Lunge mit Luft durchgespült hatte.
    Dann tauchte er wieder ab.
    Blind reckte er im Dunkeln die Arme, versuchte verzweifelt, irgendetwas zu fassen zu bekommen, ein Bein, ein Stück Stoff, eine Handvoll Haare. Doch seine Hände griffen nur leeres Wasser. Außer Atem schoss er wieder an die Oberfläche. Diesmal hörte er von der Brücke über sich eine Männerstimme rufen.
    »Da unten ist jemand!«
    »Ich sehe ihn. Rufen Sie die Nachtwache!«
    Drei schnelle Atemzüge, dann tauchte Norris wieder unter. In seiner Panik nahm er die Kälte ebenso wenig wahr wie die anschwellende Kakophonie von Rufen über sich. Mit jeder Sekunde, die verstrich, entglitt ihm Rose weiter. Wild ruderte er mit den Armen wie ein Ertrinkender. Sie war vielleicht nur wenige Zoll von ihm entfernt, doch er konnte sie nicht sehen.
    Ich werde dich verlieren.
    Das dringende Bedürfnis nach Luft trieb ihn wieder an die Oberfläche. Während er Atem schöpfte, sah er Lichter auf der Brücke über sich und hörte noch mehr Stimmen. Ohnmächtige Zeugen seiner Verzweiflung.
    Ich würde eher ertrinken, als dich hier im Stich zu lassen.
    Ein letztes Mal tauchte er. Schwach erhellte der Schein der Laternen die dunklen Fluten mit wabernden Lichtsäulen. Er sah die schemenhaften Bewegungen seiner eigenen Arme, sah Wolken von Sedimenten. Und direkt unter sich sah er noch etwas anderes dahintreiben. Etwas Bleiches, aufgebläht wie Segel im Wind. Er tauchte ab, und seine Hand bekam Stoff zu fassen.

    Roses schlaffer Körper trieb auf ihn zu, ihr Haar ein schwarzer Wirbel.
    Sofort arbeitete er sich mit kräftigen Beinstößen an die Oberfläche und zog Rose mit sich. Doch als sie auftauchten und er die Luft tief in seine Lunge sog, lag sie schlaff in seinen Armen, leblos wie ein Bündel Lumpen. Ich bin zu spät gekommen. Schluchzend und nach Luft ringend zog er sie Richtung Ufer, trat das Wasser, bis seine Beine so erschöpft waren, dass sie ihm kaum mehr gehorchten. Als er endlich den schlammigen Boden unter den Füßen spürte, konnte er kaum noch sein eigenes Gewicht tragen. Mit letzter Kraft wankte er aus dem Wasser und zog Rose die Uferböschung hinauf aufs trockene Land.
    Ihre Hand- und Fußgelenke waren gefesselt, und sie atmete nicht mehr.
    Er rollte sie auf den Bauch. Wach auf, Rose! Du musst leben, ich brauche dich doch! Er legte ihr die Hände auf den Rücken und beugte sich über sie, um mit aller Kraft auf ihren Brustkorb zu drücken. Das Wasser aus ihrer Lunge ergoss sich in einem Schwall aus ihrem Mund. Wieder und wieder pumpte er, bis ihre Lunge leer war, doch immer noch zeigte sie keine Reaktion.
    Hektisch riss er ihr die Fesseln von den Handgelenken und drehte sie auf den Rücken. Ihr mit Schlamm verschmiertes Gesicht starrte zu ihm auf. Er legte ihr die Hände auf die Brust und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf, um auch die letzten Wassertropfen aus ihrer Lunge zu pumpen. Immer wieder drückte er zu, während seine Tränen, vermischt mit Flusswasser, auf ihr Gesicht tropften.
    »Rose, komm zu mir zurück! Bitte, mein Schatz. Komm zurück!«
    Ihr erstes Zucken war so schwach, dass er es sich in seiner Verzweiflung auch eingebildet haben könnte. Dann erschauerte sie plötzlich und begann zu husten, und dieser würgende Husten, der ihren ganzen Leib durchschüttelte, war das wunderbarste

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