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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wollen, nicht wahr?«
    Julia hielt dem Blick der Rechtsmedizinerin stand. »Ja.«
    »Leider habe ich die betreffende Obduktion nicht selbst durchgeführt.«
    »Aber es gibt doch irgendwo einen Bericht, oder? Darin müsste die Todesursache verzeichnet sein, nicht wahr?«
    »Ich müsste den Namen der Verstorbenen wissen.«
    »Den habe ich hier.« Julia griff in ihre Handtasche und nahm einen Stapel Fotokopien heraus, die sie Maura Isles reichte. »Das ist der Nachruf aus der Lokalzeitung. Ihr Name war Hilda Chamblett. Und das sind sämtliche Zeitungsartikel, die ich über sie finden konnte.«
    »Sie haben sich also schon eingehend mit dem Fall befasst.«
    »Er hat mich nun mal beschäftigt.« Julia lachte verlegen. »Und dann ist da das alte Skelett in meinem Garten. Es macht mich ein wenig nervös, dass gleich zwei Frauen dort gestorben sind.«
    »Im Abstand von mindestens hundert Jahren.«
    »Es ist der Todesfall von letztem Jahr, der mich wirklich beunruhigt. Zumal nach dem, was mein Nachbar über diese Einbrüche gesagt hat.«
    Isles nickte. »Das würde mich wahrscheinlich auch beunruhigen. Ich werde den Bericht heraussuchen.« Sie verließ das Büro und kam Augenblicke später mit der Akte in der Hand zurück. »Die Obduktion wurde von Dr. Costas vorgenommen«, sagte sie, während sie wieder an ihrem Schreibtisch Platz nahm und die Akte aufschlug. »›Chamblett, Hilda, 92, gefunden im Garten hinter ihrem Haus in Weston. Die Leiche wurde von einem Verwandten entdeckt, der verreist gewesen war und drei Wochen nicht nach ihr gesehen hatte. Der Todeszeitpunkt ist somit ungewiss.‹« Isles blätterte weiter und hielt inne. »Die Fotos sind nicht besonders angenehm«, sagte sie. »Die müssen Sie nicht unbedingt sehen.«

    Julia schluckte. »Nein. Aber vielleicht könnten Sie mir einfach nur das Ergebnis vorlesen?«
    Isles überflog die Zusammenfassung und blickte auf. »Sind Sie sicher, dass Sie das hören wollen?« Als Julia nickte, begann sie vorzulesen: »›Leiche wurde auf dem Rücken liegend gefunden, inmitten von hohem Gras und Unkraut, das sie schon aus wenigen Schritten Entfernung vollständig verdeckte …‹«
    Das gleiche Unkraut, mit dem ich noch vor Kurzem gekämpft habe, dachte Julia. Ich habe das Gras ausgerissen, das Hildas Chambletts Leiche verbarg.
    »›Keine intakten Reste von Haut oder weichem Gewebe an exponierten Stellen erhalten. Fetzen von Kleidung, dem Augenschein nach ein ärmelloses Baumwollkleid, haften noch an Teilen des Rumpfs. Am Hals sind die Wirbel deutlich sichtbar, weiches Gewebe fehlt. Dick- und Dünndarm fehlen größtenteils, Reste von Lunge, Leber und Milz weisen Schädigungen mit gezackten Rändern auf. Von besonderem Interesse sind flaumig ausgefranste Stränge, bei denen es sich vermutlich um Nerven- und Muskelfasern handelt. Sie finden sich in den Gelenken sämtlicher Gliedmaßen. Das Periost der Schädel-, Rippen-, Arm- und Beinknochen ist in ähnlicher Weise ausgefranst. In der Nähe der Leiche wurde eine auffällige Häufung von Vogelkot registriert.‹«
    Julia starrte Isles an. »Soll das heißen, das war das Werk von Krähen ?«
    »Dieser Befund ist typisch für Krähenfraß. Es ist bekannt, dass Vögel generell häufig für postmortale Schäden verantwortlich sind. Selbst unsere süßen kleinen Singvögel picken und zerren an der Haut einer Leiche. Krähen sind wesentlich größer, und sie sind Fleischfresser; sie können eine Leiche in kurzer Zeit skelettieren. Sie fressen das ganze weiche Gewebe, aber Nervenstränge und Sehnen können sie nicht ganz herausreißen. Diese Fasern bleiben an den Gelenken hängen, wo sie durch wiederholtes Hacken zerfasert werden. Deshalb hat Dr. Costas diese Fasern als flaumig ausgefranst beschrieben
– weil sie von den Schnäbeln der Krähen so gründlich zerfetzt worden waren.« Dr. Isles klappte die Akte zu. »Das ist der Bericht.«
    »Sie haben mir nicht gesagt, was die Todesursache war.«
    »Weil sie nicht zu bestimmen war. Nach drei Wochen sind die Schäden durch Tierfraß und Verwesung zu groß.«
    »Dann haben Sie also keine Idee?«
    »Sie war zweiundneunzig. Es war ein heißer Sommer, und sie war allein draußen in ihrem Garten. Die Annahme, dass sie einen Herzinfarkt hatte, liegt da nahe.«
    »Aber sicher können Sie sich nicht sein.«
    »Nein, das können wir nicht.«
    »Es könnte also auch …«
    »Ein Mord gewesen sein?« Isles’ Blick war direkt.
    »Sie lebte allein. Sie war schutzlos.«
    »Hier ist keine Rede von

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